Vatikan Franziskus spricht zwei Päpste heilig

Rom/Warschau · Franziskus erhebt zwei Päpste, die sehr unterschiedlich waren, in den Heiligenstand, und zwar gleichzeitig. Der Pole Johannes Paul II. ist noch in den Herzen von Millionen Gläubigen präsent, der Italiener Johannes XXIII. wird als "Konzilspapst" verehrt.

 Papst Johannes Paul II. Das Bild stammt aus dem Jahr 1979.

Papst Johannes Paul II. Das Bild stammt aus dem Jahr 1979.

Foto: dpa (Archiv)

Er war der Papst aus dem Osten, jenseits des "Eisernen Vorhangs". Schon allein das machte die Wahl des Krakauer Erzbischofs Karol Wojtyla zum Oberhaupt der katholischen Kirche zur Sensation.

Der erste Nicht-Italiener auf dem Petersthron seit mehr als 450 Jahren war ganz anders - geprägt von der Erfahrung mit zwei Diktaturen, der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg und dem Stalinismus, in dem für Kirche und Religion kein Platz sein sollte.

"Santo subito" (Heiligsprechung sofort), hatten die Gläubigen nach seinem Tod 2005 verlangt. Nach einem bemerkenswert raschen Verfahren wird er nun ein Heiliger. Rom steht damit am "Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit" direkt nach Ostern vor der Heiligsprechung mit der größten Resonanz in der Geschichte der katholischen Kirche.

Werden es "nur" Hunderttausende sein oder aber Millionen, die auf dem Petersplatz oder vor einem der Großbildschirme in der Ewigen Stadt die feierlich von Jorge Mario Bergoglio vollzogene Zeremonie verfolgen? Immerhin wird der Pole Karol Wojtyla nicht allein in diesen Stand gehoben.

Franziskus hatte entschieden, gleichzeitig auch Johannes XXIII. heiligzusprechen, der wegen seiner Demut und Volksnähe gern "der gute Papst" genannt wird. Sie waren sehr unterschiedlich, aber bei beiden hat die katholische Kirche gute Gründe, sie zu Heiligen zu erheben. Vielleicht gesellt sich ja auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. dazu; eingeladen ist er.

Dann könnten zwei Päpste zwei ihrer Vorgänger feiern. Johannes Paul II. trug seinen Teil dazu bei, dass der kommunistische Osten in sich zusammenfiel. Er besuchte als "eiliger Vater" auf Reisen die Gläubigen in aller Welt und nahm die Gebrechlichkeit des Menschen in einem langen Leiden auf sich.

Johannes XXIII. brachte seiner Kirche vor fünf Jahrzehnten unerwartet viel frische Luft, verordnete ihr mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) und seinen Reformen einen großen Schritt in die Jetztzeit. Daran könnte Franziskus anknüpfen. Als Johannes Paul auf seiner ersten Pilgerreise in seine polnische Heimat 1979 auf dem Warschauer Siegesplatz zu den Gläubigen sprach, rief er aus: "Dein Geist komme und erneuere das Antlitz der Erde - dieser Erde!"

Viele Polen begriffen das Gebet als Aufruf zur Veränderung. Gut ein Jahr später streikten die Arbeiter auf der Danziger Lenin-Werft und trotzten der kommunistischen Regierung die erste unabhängige Gewerkschaft im sowjetischen Machtbereich ab. Für den 1920 in der südpolnischen Kleinstadt Wadowice geborenen Wojtyla war die Kirche von früher Kindheit an gegenwärtig.

Es dürften auch die Erfahrungen mit jüdischen Kameraden in der Kindheit gewesen sein, die zum Dialog des späteren Papstes mit dem Judentum beitrugen - als erstes Oberhaupt der katholischen Kirche seit Petrus besuchte er 1986 die Synagoge von Rom. Obwohl er in jungen Jahren mit den Härten der nationalsozialistischen Besatzung in Polen hatte fertig werden müssen, unterschrieb er später doch den Versöhnungsbrief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder - ein Grundpfeiler der deutsch-polnischen Aussöhnung.

Mit nur 38 Jahren Weihbischof in Krakau, wurde Wojtyla 1964 dort Erzbischof und 1967 dann Kardinal. Mit 26 Jahren und fünf Monaten war das Pontifikat des "Medienpapstes" Wojtyla eines der längsten in der Kirchengeschichte. Seine Offenheit und die Reiselust (er besuchte 127 Länder), das Attentat von 1981 auf ihn, die schwere Parkinson-Erkrankung und die tiefe Marienverehrung prägten sein Image.

[kein Linktext vorhanden] In manchem tritt Franziskus in seine Fußstapfen. Während die weltweite Verehrung des charismatischen Polen riesig war, galt der Norditaliener Angelo Giuseppe Roncalli zunächst nur als Übergangspapst. Der Mann aus der Provinz Bergamo ging dann allerdings als der Pontifex in die Geschichte ein, der die Kirche mit dem Konzil aus der Starre holte, die Einheit der Christen und das Zusammengehen mit anderen Religionen förderte.

Dass Franziskus ihn so überraschend ohne das sonst notwendige zweite Wunder zum "vorbildlichen Christen" erhebt, ist auch eine Ehrenbezeugung für den geschätzten Vorgänger. Bei Wojtyla gab es dieses Wunder - die Heilung einer Frau Floribeth aus Costa Rica, die in Gebeten den Polen um Hilfe angerufen hatte.

Doch der heilige Johannes Paul II. ist bei aller Popularität nicht unumstritten. Er hatte sich für einen streng konservativen Kurs den Deutschen Joseph Ratzinger als Präfekten der Glaubenskongregation nach Rom geholt. Franziskus wolle mit den Heiligsprechungen zwei sehr unterschiedliche Flügel der Kirche miteinander versöhnen, meinte die Laienorganisation "Wir sind Kirche". Denn der Pole sei verantwortlich für einen "Rückfall in zentralistische und autoritative Strukturen".

Wie auch immer: Allein der polnische Papst, der die Massen vor allem auch durch das Leiden bis zum Tod für sich eingenommen hatte, macht die Heiligsprechungen nicht nur zu einem historischen, sondern auch zu einem erstrangigen medialen Ereignis. Für sie schaltete der Vatikan eine Internetseite frei; der feierliche Akt soll nun in mindestens 20 Länder in 3D übertragen werden.

Trotz der erwarteten Menschenmassen in Rom selbst hat der Vatikan nicht sehr viel für die Pilger geplant. Allerdings stehen ihnen in der Nacht vor dem sonntäglichen Event auf dem Petersplatz elf Kirchen in Rom offen. Und für Entertainment sorgt auch das Musical "Johannes Paul II." aus Krakau im römischen Teatro Brancaccio - so wird es eine Heiligsprechung mit Unterhaltungswert.

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