Vorwahlen in Frankreich Fillons stiller Putsch und das Rätselraten um Hollande

Paris · Nach der Wahl von François Fillon zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner richten sich die Augen in Frankreich nun auf Präsident François Hollande: Tritt er wieder an?

 Gibt womöglich doch noch nicht auf: Frankreichs Präsident François Hollande.

Gibt womöglich doch noch nicht auf: Frankreichs Präsident François Hollande.

Foto: AP

Am Abend nach seiner siegreichen Schlacht trägt François Fillon ein paar blutige Kratzer an der Nase. „Es ist nicht Alain Juppé, der mich verletzt hat“, versichert der sonst so ernste Politiker mit einem Anflug von Humor. „Sondern die Fotografen.“ Allzu grob rangen diese um Bilder des frisch gekrönten Kandidaten der Republikaner für die französischen Präsidentschaftswahlen im Frühjahr. Noch vor Kurzem hätte kaum jemand auf den Triumph des 62-jährigen Konservativen gewettet; alle sahen ein Duell zwischen Ex-Premierminister Alain Juppé und Ex-Präsident Nicolas Sarkozy voraus.

Doch nachdem Fillon beide bereits beim ersten Durchgang vor einer Woche weit hinter sich ließ, setzte er sich am Sonntag deutlich mit 66,5 Prozent gegen Juppé durch. Erneut beteiligten sich mehr als 4,3 Millionen Wähler. Die heimische Presse schreibt vom „stillen Putsch“ Fillons.

Dabei prägt er die französische Politik seit Jahrzehnten. Vom Parlamentarier und Minister verschiedener Ressorts stieg er zum Regierungschef unter Sarkozy von 2007 bis 2012 auf. Seine Beliebtheitswerte übertrafen stets jene des hyperaktiven Präsidenten – und doch konnte Fillon im Anschluss kein Kapital daraus ziehen. Er ließ sich in einer offensichtlich getürkten Kampfabstimmung vom damaligen Sarkozy-Vertrauten Jean-François Copé um den Parteivorsitz bringen und tauchte ab – ohne aufzugeben.

Drei Jahre lang habe er in einer „Tour de France“ den Franzosen den Puls gefühlt, sagt Fillon heute. Um sie von ihrem Frust zu befreien und Frankreichs Wirtschaft endlich wieder aufzurichten, schlägt er einen „liberalen Schock“ vor, dessen Umsetzbarkeit auch sein moderaterer Rivale Juppé angezweifelt hatte: Die öffentlichen Ausgaben will er um 110 Milliarden Euro senken, das Renteneintrittsalter bis 2022 von 62 auf 65 anheben und die 35-Stunden-Woche abschaffen. Dieses Reform-Programm kombiniert der „französischer Thatcher“ mit einer wertkonservativen Haltung. Er verspricht eine familienfreundliche Politik und will zwar die von Hollande eingeführte Homo-Ehe nicht rückgängig machen, wohl aber die Erlaubnis für gleichgeschlechtliche Paare, Kinder zu adoptieren.

Unterstützung katholischer und rechtskonservativer Kreise

Das brachte dem Vater von fünf Kindern, der seit 36 Jahren mit der Waliserin Penelope Clarke verheiratet ist, die Unterstützung katholischer und rechtskonservativer Kreise ein. Auch Sarkozys Anhänger schlossen sich nach dessen Ausscheiden Fillon an, der sich ebenfalls für eine Begrenzung der Einwanderung und ein hartes Vorgehen gegen Terrorverdächtige aussprach. Am Abend seines Triumphs richtete er sich an alle Wähler. „Meinen Erfolg teile ich“, erklärte Fillon.

Das muss er auch. Die Chancen stehen zwar gut, im Mai 2017 gegen einen starken, aber nicht mehrheitsfähigen Front National und eine zersplitterte Linke zu siegen. Aber er braucht die ganze Partei hinter sich, um gegen die Angriffe der Gegner gewappnet zu sein.

Der Front National hielt sich nicht zurück und nannte ihn den „Kandidaten der zügellosen Globalisierung“ – für die extreme Rechte ist er ein schwieriger Gegner, da auch er sich auf die Forderung nach einem autoritären Staat stützt und ein souveränes Frankreich im Rahmen eines „Europas der Nationen“ will. Selbst die Sympathie für Russland teilt Fillon mit Marine Le Pen. Ihre Kritik konzentriert sich auf den drohenden „sozialen Kahlschlag“.

Die Sozialistische Partei schloss sich an, indem sie Fillons „ultraliberales“ Programm und eine „zutiefst archaische Gesellschaftssicht“ kritisierte. Zugleich ist sie stark mit sich selbst beschäftigt, seit Premierminister Manuel Valls angedeutet hat, dass er angesichts der großen Verunsicherung der Linken gegebenenfalls zu einer eigenen Kandidatur bereit sei. Das setzt Präsident Hollande unter Druck, der bis zum 15. Dezember erklären muss, ob er bei den Vorwahlen seiner Partei Ende Januar antritt. Aus Hollandes Umfeld heißt es, er gebe nicht auf. Laut Umfragen scheint er zwar chancenlos. Doch diese können sich täuschen – dafür erscheint sein Namensvetter Fillon als bestes Beispiel.

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