Kommentar zur Zukunft der Alterssicherung Füllhorn Rente

Meinung | Bonn · Trotz der düsteren Prognosen der Rentenexperten ist Panik fehl am Platz, meint GA-Redakteurin Ulla Thiede.

 Es wäre schon viel gewonnen, wenn mehr Arbeitnehmer bis zum Erreichen des vollen Rentenalters erwerbstätig blieben.

Es wäre schon viel gewonnen, wenn mehr Arbeitnehmer bis zum Erreichen des vollen Rentenalters erwerbstätig blieben.

Foto: epd

Kurzsichtiges Handeln rächt sich immer. Nach der Wahl 2013 meinte die große Koalition, aus dem Vollen schöpfen zu können. Die gesetzliche Rentenversicherung saß auf einem dicken Polster aus Rücklagen, also glaubten Union und SPD, ihre Wahlgeschenke – Mütterrente und abschlagsfreie Rente mit 63 – aus der eisernen Reserve finanzieren zu können. Seit ein paar Wochen weiß man, wie schlecht es um diese Reserven eigentlich bestellt ist. Schaut man über das Jahr 2030 hinaus, sieht es düster aus: In den Langfristprognosen sinkt das Rentenniveau beständig, weit unter die Marke von 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns, die im Gesetz verankert ist.

Dass Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles in diesen Wochen Gespräche mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden über eine Reform der Alterssicherung führt, ist richtig. Es geht darum, einen gesellschaftlichen Konsens zu finden, wie gut oder wie schlecht abgesichert wir im Ruhestand sein wollen, und vor allem, wer was bezahlen soll – der Staat, die gesetzliche Rentenversicherung, die Versicherten und die Arbeitgeber.

Immerhin eine gemeinsame Linie zeichnet sich ab: Niemand will, dass das Rentenniveau ungebremst fällt. Das dürfte dann aber auch die einzige Gemeinsamkeit sein, auf die sich die Koalitionäre verständigen können. So wird Nahles im November wohl ein Rentenreformkonzept vorlegen, das keine Chance mehr auf Umsetzung bis zur Bundestagswahl in einem Jahr hat.

Der Grund ist, dass ein akzeptables Rentenniveau auf vielerlei Wegen zu erreichen ist. So kann der Gesetzgeber die Beitragssätze erhöhen (unbeliebt), er kann die Steuerzuschüsse aufstocken (was den Finanzminister ärgert), er kann bei der Berechnung der Rentenpunkte anrechenbare Lebensleistungen wieder herausnehmen (auch unbeliebt), und er kann die Lebensarbeitszeit verlängern. Diesen letzten Punkt, so viel ist sicher, wird in einer Zeit, in der die Rente mit 67 noch nicht einmal voll umgesetzt ist, keine Partei ihren Wählern zumuten wollen.

Es wäre schon viel gewonnen, wenn mehr Arbeitnehmer wenigstens bis zum Erreichen des vollen Rentenalters erwerbstätig blieben. Noch ist nicht belegt, wie die rein statistischen Verbesserungen in dieser Hinsicht zu erklären sind. Wenn aber die Lebenserwartung jedes Jahrzehnt um zwei Jahre steigt, können gesunde Erwerbstätige nicht mit 63 in Rente gehen. Hier müssen sich auch die Arbeitgeber an die Nase fassen, die sich zu gern von älteren Mitarbeitern trennen.

Trotz der düsteren Prognosen der Rentenexperten ist Panik fehl am Platz. Die Alterssicherung ist ein atmendes System, an dessen vielen Stellschrauben immer wieder neu gedreht werden muss. Vorsicht ist geboten vor Politikern, die die Rentenkassen als Füllhorn betrachten, aus dem sie ihre Wähler nach Gusto beglücken können.

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