Kommentar zum EU-Gipfel Europas Asylwende

Meinung · Der EU-Gipfel in Salzburg hat zwar keinen Durchbruch gebracht. Aber er machte Bewegung möglich. Schlecht für Europa ist hingegen, dass der deutsch-französische Motor nicht läuft.

Es waren diese beiden Zahlen, die tiefe Spuren bei dem Gipfeltreffen in Salzburg hinterließen: Bis August dieses Jahres wurden 86.500 illegale Grenzübertritte nach Europa gezählt – das sind 40 Prozent weniger als noch im Vorjahr. Und: Nach Italien kamen 62 Prozent weniger Flüchtlinge als 2017.

Nein, dieser EU-Gipfel schaffte keinen Durchbruch, aber er machte Bewegung möglich. Die Zahl der Mitgliedstaaten, denen klar wird, dass eine Verteilquote politisch nicht erreichbar und deshalb auch keine Lösung der gemeinsamen Probleme darstellt, wächst. Vor diesem Hintergrund setzt Europa auf einen strikteren Grenzschutz und Partner in Nordafrika, um aus dem Mittelmeer gerettete Zuwanderer zunächst dort unterzubringen.

Diese Maßnahmen mögen unterm Strich für ein weiteres Nachlassen der Zuwanderung führen, aber sie lösen nicht die aktuellen Probleme der Staaten, in denen die Aufnahmelager bereits überfüllt sind. Griechenland, Italien und neuerdings auch Spanien brauchen Solidarität. Und die zeigt sich in der Bereitschaft, Migranten aufzunehmen, nicht aber darin, sich von dieser Pflicht freizukaufen.

Der bereits angegraute Vorschlag von Kommissionschef Jean-Claude Juncker löst nichts. Er hatte schon vor Jahren angeregt, Solidarität weit auszulegen. Schließlich könne ein Land, das keine Flüchtlinge aufnehmen wolle, Verantwortung für die Gemeinschaft an anderer Stelle wie zum Beispiel beim Küsten- und Grenzschutz übernehmen. Oder sich eben freikaufen. Der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel sagte dazu gestern, es sei „traurig, wenn man darüber nachdenken müsse, was ein Flüchtling kostet.“ Der Mann hat recht.

Nun war diese Runde in Salzburg bewusst als informelle Begegnung angesetzt worden, also eine Art lockerer Meinungsaustausch ohne Beschlüsse. Trotzdem traten gerade dadurch Strömungen und Stimmungen zutage. Und die zeigten vor allem, dass der deutsch-französische Motor gerade nicht rund läuft. Die Bundeskanzlerin scheint durch innenpolitische Probleme erkennbar ausgebremst, dem französischen Staatspräsidenten geht es kaum besser. Merkel hat Macron nach seinen europäischen Höhenflügen regelrecht abstürzen lassen. Die frühere Schlagkraft gemeinsamer, zuvor abgestimmter Konzepte und Vorschläge fehlt schmerzlich. So gewinnen der Egoismus und teilweise auch der Nationalismus anderer an Lautstärke und Gewicht.

Doch die Lücke der beiden europäischen Führungsnationen kann niemand füllen. Derart zurückgenommen, wie Angela Merkel in Salzburg auftrat, ist sie für die EU eher ein Problem denn eine Hilfe. Das könnte sich ausgerechnet beim Brexit zeigen. Denn dabei wird Merkel gebraucht – nicht nur als koordinierende europäische Politikerin, sondern auch als Hüterin deutscher Interessen.

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