Kommentar zum Friedensschluss in Kolumbien Es bleibt Misstrauen

Meinung | Puebla · Der Vertrag in Kolumbien ist ein wichtiger Schritt, doch der Argwohn sitzt tief. Der Frieden ist noch nicht völlig unter Dach und Fach.

 Kolumbianer feiern den erfolgreichen Abschluss der Friedensverhandlungen.

Kolumbianer feiern den erfolgreichen Abschluss der Friedensverhandlungen.

Foto: dpa

Als Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos vor vier Jahren begann, mit der ältesten Guerilla Lateinamerikas zu verhandeln, wunderten sich viele. Schließlich galt Santos, der zuvor dem rechten Präsidenten Alvaro Uribe als Verteidigungsminister gedient hatte, als Hardliner und Repräsentant einer sozial wenig sensiblen Elite. Die meisten räumten ihm zudem wenig Aussicht auf Erfolg ein. Schließlich hatten sich an den Farc schon zahlreiche seiner Vorgänger die Zähne ausgebissen.

Doch sie unterschätzten den Pokerspieler Santos – und die Umstände: Die nationale und internationale Isolation der Farc, die durch konstante Militärschläge geschwächte Moral der Guerilla, die Überzeugung des Präsidenten, dass nur das Ende des Konflikts Kolumbien ermöglicht, sein volles wirtschaftliches Potenzial zu entfalten – und sein Geschick, mit einer wohldosierten Kommunikationspolitik die schwierigen Verhandlungen zu begleiten und die öffentliche Meinung langsam auf den Paradigmenwandel vorzubereiten. Santos, zweifellos ein Politiker mit ebenso viel Vision wie Ego, steht kurz davor, die wichtigste Partie seines Lebens zu gewinnen.

Doch noch ist der Frieden nicht völlig unter Dach und Fach. Santos, dessen Amtszeit 2018 endet, hat ein Plebiszit anberaumt, um den Frieden gesellschaftlich zu verankern. Doch – so erstaunlich das anmutet – große Zustimmung findet der Vertrag im Volk bislang nicht.

Die Gegner, angeführt von Uribe, sprechen von einer „Kapitulation“ und stören sich vor allem daran, dass die unpopulären Farc künftig Politik machen dürfen und nicht im Gefängnis schmoren – außer denjenigen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben oder ihre Verbrechen nicht gestehen, bereuen und wiedergutmachen.

Uribes Kritik trifft den Nerv vieler, die den marxistischen Rebellen nicht über den Weg trauen. Interessanterweise sitzen die Skeptiker vor allem in den Städten, weitab von der Front, während die Vertreter der acht Millionen Bürgerkriegsopfer den Friedensabschluss nahezu einhellig begrüßen.

Das Plebiszit ist vielleicht die riskanteste Karte von Santos. Es bringt mehr Verwirrung als Klarheit. Es sei politisch, nicht aber rechtlich bindend, befand das Verfassungsgericht – was auch immer das in der Praxis bedeuten soll.

Sollte diese Hürde übersprungen werden, birgt auch die Umsetzung zahlreiche Stolperfallen. Rund 7000 Farc-Kämpfer müssen in die Gesellschaft integriert, das Militär verschlankt werden. Dann gibt es die Front Nummer eins der Farc, die den Frieden bislang ablehnt. Und die kleinere Guerillaorganisation ELN, mit der noch nicht einmal angefangen wurde, zu verhandeln. Und kriminelle Banden, Bacrim genannt, die weiter mit Drogen, Gold und Smaragden handeln oder im Auftrag einflussreicher Geschäftsleute und Großgrundbesitzer die Bevölkerung vertreiben und einschüchtern. In vielen, vor allem armen und ländlichen Regionen haben sie noch immer das Sagen, der Staat ist abwesend.

Wie Santos, sein Nachfolger und die Gesellschaft die Probleme angehen werden, davon hängt der Erfolg des Friedensprozesses ab. Das gegenseitige Misstrauen sitzt noch tief.

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