Kommentar zum Friedensnobelpreis Ermutigung für Kolumbien

Meinung | Bonn · Wer, wie der kolumbianische Präsident, sich so beharrlich und gegen zahlreiche Widerstände für die Beendigung eines mehr als 50 Jahre andauernden Konflikts einsetzt, hat den Friedensnobelpreis verdient.

 Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos (3.v.l.) und Farc-Chef Rodrigo Londoño (2.v.r.) geben sich die Hand, nachdem sie ein Friedensabkommen unterzeichnet haben.

Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos (3.v.l.) und Farc-Chef Rodrigo Londoño (2.v.r.) geben sich die Hand, nachdem sie ein Friedensabkommen unterzeichnet haben.

Foto: dpa

Bei keinem anderen Nobelpreis sind die Ausgezeichneten so oft umstritten wie beim Friedensnobelpreis. In diesem Jahr dürfte dem norwegischen Nobelkomitee jedoch weitgehende Zustimmung gewiss sein. Wer, wie der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos, sich so beharrlich und gegen zahlreiche Widerstände für die Beendigung eines mehr als 50 Jahre andauernden Konflikts einsetzt, hat den Friedensnobelpreis verdient. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Versuch von Santos, dem Friedensabkommen mit der Farc-Guerilla durch ein Referendum zusätzliche Legitimität zu verschaffen, scheiterte. Mit hauchdünner Mehrheit lehnte die Bevölkerung am Wochenende das Abkommen ab. Das Vertragswerk, wohlgemerkt, nicht den Friedensprozess an sich. Wie sollte das auch anders sein bei einem Konflikt, der mehr als 220 000 Menschen das Leben gekostet hat und mehr als sieben Millionen zu Vertriebenen machte?

Für das Nobelkomitee ist die Auszeichnung deshalb ausdrücklich eine Ermutigung an die Gegner in diesem Konflikt, auf dem Weg des Friedens weiter voranzugehen. Ziel muss es nun sein, die umstrittensten Punkte des Friedensabkommens so anzupassen, dass es für die große Mehrheit der Bevölkerung akzeptabel ist. Für Kolumbien bietet sich damit die Chance, nicht nur den jahrzehntelangen, blutigen Konflikt zu beenden, sondern auch die tiefe gesellschaftliche Kluft zu überwinden, die das Land spaltet und die letztlich die tiefere Ursache der Gewalt ist. Dass Santos und sein Amtsvorgänger Alvaro Uribe, die treibende Kraft der Nein-Kampagne beim Referendum, nach Monaten der Sprachlosigkeit nun endlich wieder miteinander reden, um zu einer Lösung zu finden, ist zweifellos ein gutes Zeichen.

Unverständlich bleibt allerdings, warum das Nobelkomitee nur Santos und nicht auch Farc-Chef Rodrigo Londoño auszeichnet. Zu einem Friedensschluss gehören immer (mindestens) zwei; nur einen von beiden Akteuren so hervorzuheben, ist zumindest höchst ungeschickt. Zumal das Nobelkomitee in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen anders gehandelt hat: 1973 erhielten Henry Kissinger und Le Duc Tho den Preis, nachdem sie ein Friedensabkommen für Vietnam ausgehandelt hatten, 1994 wurden Jassir Arafat, Schimon Peres und Jitzhak Rabin für ihre Anstrengungen zur Lösung des Nahostkonfliktes geehrt.

Auch diese Nobelpreis-Vergaben würdigten übrigens keine vollendeten Friedensprozesse, sondern waren Optionen auf die Zukunft: Der Vietnamkrieg dauerte noch zwei Jahre an (weshalb Vietcong-Chef Le Duc Tho die Annahme des Preises verweigerte), der Nahostkonflikt ist bis heute nicht beigelegt. In Kolumbien stehen Santos und Londoño nun vor der großen Herausforderung, den Frieden Wirklichkeit werden zu lassen. Ob es gelingt, ist offen. Die Menschen im Land hätten es verdient.

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