Anfangsverdacht der Untreue Ermittlungen gegen Köln/Bonner Flughafenchef Michael Garvens

Köln/Bonn · Der langjährige Geschäftsführer Michael Garvens wurde vom Aufsichtsrat beurlaubt, nachdem ihm ein Prüfbericht schwere Pflichtverletzungen attestierte. Seit Montag ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt seit Montag wegen des Anfangsverdachts der Untreue gegen Flughafenchef Michael Garvens. Als ersten Schritt hat die Behörde den Prüfbericht einer Rechtsanwaltskanzlei und einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angefordert, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer dem General-Anzeiger.

Aufgrund des vorläufigen Prüfberichtes hatte der Aufsichtsrat des Flughafens Garvens am Freitag bis zum 15. Dezember beurlaubt. In dieser Zeit sollten offen gebliebene Punkte geklärt werden, so dessen Vorsitzender Kurt Bodewig. Der 58-jährige Garvens soll sich bis zum Ende dieser Woche schriftlich zu dem Prüfbericht äußern.

Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgrund der Medienberichterstattung aus eigenem Antrieb aufgenommen. Nun werden die Wirtschaftsfachleute der Behörde die Unterlagen prüfen. Auch Garvens soll zu den Vorwürfen gehört werden.

Falls sich im nächsten Schritt ein hinreichender Tatverdacht ergeben und Anklage erhoben werden sollte, droht einem Angeklagten bei einer Verurteilung wegen Untreue eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.

Derweil hat der Rheinisch-Bergische Kreis nach GA-Informationen eine Versammlung der Gesellschafter des Flughafens Köln/Bonn beantragt. Weil der Aufsichtsrat des Flughafens Geschäftsführer Garvens am Freitag nicht die Gelegenheit gegeben habe, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, wolle dies nun die Gesellschafterversammlung, quasi das Kontrollgremium des Aufsichtsrats, nachholen, hieß es.

Der NRW-Landtag wird sich am Donnerstag auf Antrag der Grünen in einer Aktuellen Stunde mit der Beurlaubung des Flughafen-Geschäftsführers beschäftigen.

Die zehn wichtigsten Fragen und Antworten

Was ist so brisant an dem Prüfbericht?

Dass der Geschäftsführung mehrfach Verstöße gegen die Sorgfalts- und Treuepflichten vorgeworfen werden und dass, als rechtliche Konsequenz daraus, dies ein wichtiger Grund für die Kündigung des Anstellungsvertrags mit dem Geschäftsführer sein könnte.

Auch wird davon geschrieben, dass wegen wissentlich unberechtigter Zahlungen und Unterlassens von Forderungen „eine Strafbarkeit wegen Unterschlagung oder veruntreuender Unterschlagung in Betracht“ kommen könne.

Die Prüfer weisen aber auch stets darauf hin, dass die bislang vorgelegten Unterlagen „keine abschließende Aussage“ zum Untersuchungsgegenstand zuließen. Es müssten noch weitere Unterlagen eingesehen und Gespräche mit „an den Vorgängen beteiligten Personen“ geführt werden.

Welche Vorwürfe gibt es im Einzelnen?

1. Im Zusammenhang mit einer Frachtfirma: Dem Flughafen wird vorgeworfen, dieser Firma Rechnungen bezahlt zu haben, obwohl gar keine Leistungen erbracht worden seien. Darüber hinaus habe der Flughafen der Firma vertraglich vereinbarte Leistungen nicht in Rechnung gestellt und zudem mehr Geld für angemietete Flächen bezahlt, als angemessen gewesen wäre.

2. Im Zusammenhang mit einer Unternehmensgruppe, die dem Flughafen Technik-Dienstleistungen zur Verfügung gestellt hat, soll der Airport eine Rechnung beglichen haben, die in etwa einer Forderung des Flughafens an die Firma entsprochen habe – und das, obwohl die Rechtsabteilung dies nicht befürwortet habe.

Was könnte der Grund gewesen sein?

Beide Firmen waren laut Prüfbericht in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Es wird spekuliert, dass der Flughafen die angeschlagenen Partner womöglich stützen wollte, um sie nicht zu verlieren.

Was haben die Prüfer noch bemängelt?

Dass der Flughafen bei der Auswahl und Bestellung eines Jahresabschlussprüfers womöglich manipuliert habe. Ein Kölner Unternehmen habe nach der Vorrunde zwar den ersten Preis belegt, zum Zuge sei aber ein anderes, viel größeres Unternehmen gekommen. Im Prüfbericht ist von „Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit der Einhaltung der festgelegten Auswahlkriterien der Ausschreibung“ die Rede. Kritisiert wurde auch, dass eine „auffallend hohe Anzahl an (leitenden) Mitarbeitern über Jahre – in einem Fall für die Dauer von über elf Jahren – freigestellt“ worden seien.

Warum ist Garvens am Freitag nicht zu der Sitzung hinzugezogen worden?

Ein Teil der anwesenden Mitglieder im Aufsichtsrat soll durchaus der Meinung gewesen sein, dass man Garvens, der nur ein paar Türen weiter arbeitete, mit den Vorwürfen gegen ihn konfrontieren sollte. Doch eine Mehrheit dafür gab es offenbar nicht. Stattdessen entschieden sich die Aufsichtsratsmitglieder zum Schluss der Sitzung einstimmig, Garvens zu beurlauben.

Welche Aufgaben hat der Aufsichtsrat?

Die wichtigste Aufgabe eines Aufsichtsrates ist die Kontrolle der Geschäftsführung des betreffenden Unternehmens. Daran hat es offenbar in der Vergangenheit am Flughafen Köln/Bonn gehapert. Wie Insider berichten, wird wieder mehr kontrolliert, seitdem der frühere Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig im Frühjahr 2016 an die Spitze des Aufsichtsrates gerückt ist.

Was hat in diesem Zusammenhang die Berufung des früheren CDU-Spitzenpolitikers Friedrich Merz zum Aufsichtsratschef zu bedeuten?

Dass möglicherweise weniger die Kontrolle, sondern eher das wirtschaftliche Fortkommen des Flughafens im Vordergrund seiner Tätigkeit stehen soll. Bei der Bekanntgabe der Personalie Merz teilte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet am Dienstag voriger Woche mit: „Die Drehscheibe Köln/Bonn ist von immenser Wichtigkeit für den Wirtschafts- und Logistikstandort Nordrhein-Westfalen. Mit Friedrich Merz an der Spitze des Aufsichtsrats wird die strategische internationale Ausrichtung des Flughafens gelingen.“ In seiner Pressekonferenz einen Tag später legte Laschet nach und erklärte, die guten transatlantischen Kontakte von Merz seien beispielsweise für die Zusammenarbeit mit Logistikunternehmen wie UPS hilfreich, die große Investitionen am Flughafen planten.

Wie reagiert die Opposition im Düsseldorfer Landtag?

Die Grünen haben für Donnerstag eine Aktuelle Stunde beantragt. Fraktionschef Arndt Klocke sprach dem GA gegenüber von „mindestens einem Geschmäckle“, wenn drei Tage vor einer wichtigen Aufsichtsratsitzung ein CDU-Ministerpräsident mitteilt, dass er einen SPD-Aufsichtsratsvorsitzenden zugunsten eines CDU-Aufsichtsratsvorsitzenden austauschen wolle. Und dass vor dem Hintergrund, dass ein Flughafen-Geschäftsführer mit CDU-Parteimitgliedschaft unter Beschuss geraten sei.

Wie steht der Flughafen wirtschaftlich da?

Der Flughafen erwartet für dieses Jahr 12,2 Millionen Passagiere und rechnet mit einem Frachtvolumen von 830.000 Tonnen – beides würde einen Rekordwert bedeuten. Allerdings sinkt das Ergebnis: Der Airport erwartet einen Überschuss von 4,1 Millionen Euro nach 6,3 Millionen Euro im Vorjahr. Grund dafür sind auch Investitionen. Alleine die Sanierung der Querwindbahn kostete rund 18 Millionen Euro. Im kommenden Jahr steht unter anderem die Sanierung der große Start- und Landebahn an.

Wie hat sich der Flughafen während der Amtszeit von Michael Garvens entwickelt?

Garvens steht seit Februar 2002 an der Spitze der Flughafen Köln/Bonn GmbH und setzte vor allem auf zwei Geschäftssegmente: die Billigflieger und die Expressfracht. Beide Bereiche wuchsen seitdem stark. Das Passagieraufkommen stieg in dieser Zeit auf mehr als das Doppelte, von knapp 5,5 Millionen auf knapp 12 Millionen Ende des Jahres 2016. Das Frachtgeschäft legte im selben Zeitraum von gut 500.000 Tonnen auf gut 786.000 Tonnen zu. Laut Flughafen ist das in diesem Segment Platz drei in Deutschland.

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