Union im Umbruch "Erfolg kann einschläfern"

Berlin · Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl hat die Parteibasis aufgerufen, mehr Selbstbewusstsein zu zeigen. Angela Merkel bleibe das Zugpferd der Union, aber "wir dürfen es uns im Schatten der Kanzlerin nicht bequem machen", mahnt Strobl im GA-Interview. Impulse zur Weiterentwicklung der Partei müssten von unten kommen, nicht von oben. Mit Strobl sprach Norbert Wallet.

 Setzt auf die Erneuerungskraft der Basis: Der baden-württembergische CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl.

Setzt auf die Erneuerungskraft der Basis: Der baden-württembergische CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl.

Foto: dpa

Herr Strobl, Generalsekretär Tauber hat eine Parteireform angekündigt. Eine nette Beschäftigungstherapie für die in Zeiten der großen Koalition gelangweilte Basis?
Thomas Strobl: Überhaupt nicht. Wie sinnvoll das ist, sehen Sie in Baden-Württemberg. Da sind wir vor drei Jahren aktiv geworden: Unsere Parteitage sind heute für jedes Mitglied offen. Wir veranstalten Basiskonferenzen und haben eine Zukunftswerkstatt. Es gibt das Projekt "Frauen im Fokus" - und Sie glauben gar nicht, wie engagiert die Frauen und Männer in der Partei gerade dieses Projekt vorantreiben. Durch diesen Prozess ist die CDU-Baden-Württemberg in kurzer Zeit eine andere geworden: moderner, offener, diskussionsfreudiger. Vielleicht sind wir da ja auch für die Bundes-CDU Vorreiter.

Anläufe zu Parteireformen gab es in der CDU immer wieder. Aber noch immer hat die Union zu wenig Frauen, ist überaltert und für Migranten uninteressant. Überdeckt der Wahlerfolg der Kanzlerin die tatsächliche Lage der Partei?

Strobl: Erfolg kann natürlich einschläfern. Wir dürfen es uns in der CDU im Schatten der Kanzlerin nicht bequem machen. Die Partei darf sich nicht von der hohen Zustimmungsrate für Angela Merkel einlullen lassen. Und eines muss klar sein: Impulse zur Weiterentwicklung müssen aus der Partei selbst kommen, von unten - nicht von oben. Unser Programm "Frauen im Fokus" hat in Baden-Württemberg schon messbare Erfolge gebracht. Die Kommunalwahllisten der CDU waren deutlich weiblicher. Politik für Frauen hat heute einen ganz anderen Stellenwert. Und schließlich: Vor drei Jahren war der Generalsekretär noch ein Mann - heute macht das eine Frau.

Aber öffentlich wird die Union nur durch das Regierungshandeln der Kanzlerin wahrgenommen. Die Partei vollzieht die Volten der Führung nur nach.
Strobl: Dass die Kanzlerin bei der in der großen Koalition notwendigen Vermittlungsarbeit die zentrale Rolle spielt, versteht sich von selbst. Der Preis, den eine Partei zahlt, die seit neun Jahren Regierungsverantwortung trägt, ist hoch. Gerade deshalb ist es wichtig, dass die Basis jetzt Impulse setzt.

"Die Partei muss also laufen lernen, muss sich zutrauen, in Zukunft auch ohne ihr altes Schlachtross (. . .) den Kampf mit dem politischen Gegner aufzunehmen. Sie muss sich wie jemand in der Pubertät von zu Hause lösen, eigene Wege gehen." Das schrieb Angela Merkel einst über Helmut Kohl. Muss heute die Partei lernen, ohne Anleitung Merkels zu laufen?
Strobl: Angela Merkel ist und bleibt unser Zugpferd. Mit ihr haben wir bei der Bundestagswahl ein sensationell gutes Ergebnis erzielt, mit ihr sind wir nur knapp an der absoluten Mehrheit vorbeigeschrammt. Genau aus diesem Grund muss die Union als Partei eigene Ziele formulieren - dazu braucht es Mut und Selbstbewusstsein.

Noch ist bundesweit nur jedes fünfte Mitglied eine Frau - trotz Angela Merkel.
Strobl: Weil die CDU Volkspartei ist, muss sich das auch in ihrer Mitgliederstruktur widerspiegeln. Das ist derzeit nicht der Fall - auch nicht bei uns im Südwesten. Mit den 20 Prozent bin ich nicht zufrieden. In zwei, drei Jahren kann das aber schon ganz anders aussehen.

Was schreckt die Frauen ab?
Strobl: Hinterzimmerpolitik, oft auch die Art und Weise, wie wir manchmal miteinander umgehen, die Kommunikationskultur. Das müssen wir ändern. Und ganz unabhängig davon müssen wir Frauen eben auch inhaltlich erreichen, das Lebensgefühl treffen und so zentrale Themen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Fokus stellen. Übrigens auch die Vereinbarkeit von Familie und Parteiarbeit.

In ihrem Bemühen, neue Wählermilieus zu erschließen, hat sich die CDU ja zweifelsfrei verändert: Energiewende, Wehrpflicht, Familienbild, Mindestlohn - immer wurden Tabus gebrochen. Diese inhaltliche Wendigkeit führt aber nicht zum wirklichen Einbruch in neue Milieus - sagen Konservative.
Strobl: Wenn konservativ ausschließlich heißt, das Bewährte zu bewahren, wird es gefährlich, denn dann werden Entwicklungen verschlafen. Unsere Partei tut gut daran, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln - ohne Modetrends hinterherzulaufen. Und das gelingt der CDU doch ganz gut.

Ein Beispiel?
Strobl: Wir brauchen qualifizierte Zuwanderung. Jeder, der zu uns kommen will, um hier zu arbeiten, Steuern zu zahlen und eine Familie zu gründen, ist uns herzlich willkommen.

Warum soll ein Migrant die Union wählen?
Strobl: Die Union hat einen Grundsatz: Jeder hat die Chance, wenn er sich anstrengt, aus sich und seinem Leben etwas zu machen. Wer fleißig ist, kann sich in diesem Land etwas aufbauen. Das ist doch attraktiv für Migranten. Um solch motivierte Menschen und ihre Familien werben wir. In diesem Sinn kann die CDU eine Partei sein, die offen ist gegenüber Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen.

Was heißt "in diesem Sinne"?
Strobl: Denjenigen, die zu uns kommen wollen, um uns zu bekämpfen, die teilweise eine hasserfüllte Einstellung gegenüber unserem Staat und unserer Art zu leben haben, sagen wir: Ihr seid uns nicht willkommen. Ihr habt hier nichts zu suchen. Für euch gibt es spürbare Grenzen.

Eine Union, die sich reformiert, muss sich die Frage nach ihren Partnern neu stellen. Bald gibt es Wahlen in Ostdeutschland. Kann die AfD ein Partner sein?
Strobl: Die AfD kann eindeutig nicht unser Partner sein. Eine Partei, die den Euro im Grunde abschaffen will, ist für ein Land wie Deutschland, insbesondere für ein so erfolgreiches Exportland wie Baden-Württemberg, einfach Gift. Das geht überhaupt nicht mit uns zusammen. Mit einer Partei, die mit solchen Dingen spielt, kann die CDU keine Koalition, keine Form der Partnerschaft eingehen. Die AfD passt weder zu Baden-Württemberg, noch zur CDU.

Zur Person

Thomas Strobl ist seit 2011 Landesvorsitzender der CDU in Baden-Württemberg und seit Dezember 2012 einer von fünf stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU. Seit 1998 ist Strobl Mitglied des Bundestages. Im Januar 2014 wurde er einer der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union und ist dort zuständig für die Rechts- und Innenpolitik. 1960 in Heilbronn geboren, studierte Strobl in Heidelberg Jura und ist Mitglied einer schlagenden Verbindung. Er ist verheiratet mit Christine Strobl, der ältesten Tochter des CDU-Politikers Wolfgang Schäuble.

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