Gaucks Antrittsbesuch bei der EU Emotionale Begegnung: Gauck zu Gast in Brüssel

BRÜSSEL · Europa-Bekenntnisse gehören für José Manuel Barroso zum Alltag. Doch in diesem Moment ist der Kommissionspräsident selbst zutiefst bewegt. "Sie sind wie ich in einer Diktatur groß geworden", begrüßt er den neuen Bundespräsidenten Joachim Gauck.

 Besuch in Brüssel: Bundespräsident Joachim Gauck und Kommissionschef José Manuel Barroso.

Besuch in Brüssel: Bundespräsident Joachim Gauck und Kommissionschef José Manuel Barroso.

Foto: dpa

"Ich war 18, als meine Heimat Portugal zu Europa kam. Ich weiß noch, wie es war, als ich Bücher, die ich lesen wollte, nicht lesen durfte." Die Bedeutung des Augenblicks unterstreicht der 53-jährige Portugiese durch eine besondere Geste: Er spricht Deutsch.

Und würdigt Gauck mit einem großen Wort: "Ich empfinde tiefen Respekt vor ihrem lebenslangen Kampf für die Freiheit." Ein sichtlich gerührter Gauck antwortet: "Sie sprechen meine Muttersprache. Das ist fast so etwas wie ein persönlicher Blumenstrauß."

Völlig unerwartet ist der Antrittsbesuch des Bundespräsidenten zu einem emotionalen Ereignis geworden. "Ich bin ein Bürger, der von weither kommt", sagt Gauck. "Aus dem Osten ist der Weg nach Europa länger, schwieriger gewesen." Auch deshalb stehe die Freiheit für ihn so sehr im Mittelpunkt seiner Botschaft. "An den Rändern wird die Freiheit Europas ernster genommen als im Zentrum", fährt der Bundespräsident fort.

Die Krise habe gezeigt, dass man jetzt mehr Europa, nicht weniger wagen müsse. "Angst macht kleine Augen und ein enges Herz." Es wäre falsch, der Skepsis Raum zu lassen. "Als Europa sind wir stark, als Nationalstaaten sind wir nicht mehr stark genug." Deshalb sei es auch heute und in Zukunft richtig, sich "vom Projekt Europa anstacheln zu lassen". Sein früher Besuch in Brüssel solle ein Signal sein: Deutschland steht zur Union.

Zwei Tage hat sich Gauck Zeit genommen, um neben dem belgischen Ministerpräsidenten Elio di Rupo mit den Spitzen von Nato und EU zu sprechen. "Ich bin gekommen, um zu zeigen: Wir wollen mehr Europa." Gauck bekennt sich zu den neuen Verträgen, mit denen sich die Mitgliedstaaten zu größerer Haushaltsdisziplin, aber auch zu finanzieller Solidarität untereinander verpflichten.

Gleich mehrfach verweist er ausdrücklich auf die Politik der Bundeskanzlerin. "Ich habe auch keine Zweifel, dass das Bundesverfassungsgericht die neuen Rettungsschirme akzeptieren wird." Es sei gut, dass das höchste deutsche Gericht die Instrumente überprüfe. "Deutschland hatte noch nie eine so gute Verfassung wie heute."

Für den Kommissionspräsidenten ist der deutsche Gast "so bald nach seinem Amtsantritt ein willkommener Besucher". Niemand solle glauben, dass das europäische Projekt "aufgehalten, gestoppt oder gar zurückgedreht werden" könne.

Die Freiheit sei nicht nur ein zentraler europäischer Wert, sondern auch eine Verpflichtung. Beispielsweise um "alles dafür zu tun", dass die Menschen Arbeit haben". Heute will die Kommission einen neuen Beschäftigungspakt vorlegen, um die Anzahl der derzeit 20 Millionen EU-Bürger, die ohne Job sind, spürbar zu senken.

Für den Bundespräsidenten war es - nach der Visite in Polen, das er als "europäisches Land der Freiheit" gewürdigt hatte - die zweite Auslandsreise. Am Abend traf er noch in Straßburg mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zusammen.

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