Kommentar zur CDU/CSU Einsame Merkel

Meinung | Berlin · Kanzlerin Angela Merkel muss zur Kenntnis nehmen, dass sie in der Flüchtlingspolitik gegen ihre wahre Oppositionspartei kämpft: die CSU.

 Sind uneins in der Flüchtlingsfrage: CSU-Chef Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Sind uneins in der Flüchtlingsfrage: CSU-Chef Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Foto: dpa

Zu Jahresbeginn war der britische Premier David Cameron Gast der CSU-Winterklausur in Wildbad Kreuth. Horst Seehofer schwärmte über dessen Einwanderungspolitik, nach der EU-Zuwanderer erst nach Jahren Anspruch auf Leistungen aus dem britischen Sozialsystem haben sollen: „Das ist CSU pur.“ Nun gut, Cameron ist inzwischen Geschichte, dem Brexit und seinen Folgen zum Opfer gefallen. Seehofer ist noch da. CSU pur will der Parteichef der Christsozialen, bestärkt nach zwei Tagen Vorstandsklausur, auch an diesem Sonntag beim nächsten Koalitionsgipfel in Berlin einbringen. Wenn Seehofer auf die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel trifft, will der CSU-Chef erreichen, dass alle „Grundkoordinaten“ der Flüchtlingspolitik möglichst bis Ende Oktober geklärt sein sollen.

Merkel muss schon länger zur Kenntnis nehmen, dass sie in der Flüchtlingspolitik gegen ihre wahre Oppositionspartei kämpft: die CSU. Seehofer spricht das natürlich nicht aus, aber er handelt danach. Er hat Merkel beim letzten CSU-Parteitag auf offener Bühne düpiert, er erwägt angeblich, sie zum nächsten CSU-Parteitag erst gar nicht einzuladen, eine eigene CSU-Spitzenkandidatur Seehofers in Bayern zur Bundestagswahl ist gleichfalls nicht ausgeschlossen, dann muss die CSU Merkel nicht plakatieren.

Seehofer hatte vor der Kreuther Klausur eine Obergrenze für Flüchtlinge von 200 000 ins Spiel gebracht, die die CSU nun wieder anführt, begleitet von Forderungen nach einem Ende der doppelten Staatsbürgerschaft und dem Burka-Verbot. Interessanterweise spricht inzwischen auch SPD-Chef Gabriel von einer Flüchtlings-Obergrenze. Gabriel wittert Morgenluft gegen eine angeschlagene Bundeskanzlerin. Seehofer treibt vor allem die Befürchtung, einen Teil der konservativen Wähler an die AfD zu verlieren, wenn die Unionsparteien weiter uneins in der Flüchtlingspolitik auftreten. Der CSU-Chef ordnet alles dem Ziel unter, die absolute Mehrheit in Bayern zu verteidigen – auch den Koalitionsfrieden mit Merkel.

Die CDU-Vorsitzende erlebt in einer höchst volatilen Koalition mit Seehofer und Gabriel, wie sich ihre politischen Partner (auf Zeit) von ihr absetzen. Die CSU beschreibt in ihrem Kampf gegen Merkels Flüchtlingspolitik, gegen die AfD und gegen den eigenen Machtverlust in Bayern Zuwanderung als Gefahr. Ihre Forderungen werden immer radikaler, denn rechts von der CSU darf kein Platz für eine weitere Partei sein. Und SPD-Chef Gabriel testet schon einmal für eine mögliche eigene Kanzlerkandidatur. Keine Frage: Es ist einsam geworden um Merkel. Daran wird auch dieser Koalitionsgipfel nichts ändern, ebenso wenig wie der angebliche Versöhnungsgipfel von CDU und CSU im Juni in Potsdam Frieden in die Unionsparteien gebracht hat. Merkel hat ihren Weg aus Überzeugung eingeschlagen. Und sie wird ihn zu Ende gehen.

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