Kommentar zum Programm der AfD Eine Frage der Praxis

Meinung | Berlin · Die AfD will sich ein Programm geben. Das Überraschende: Der Entwurf ist nicht radikal, nicht einmal rechtspopulistisch. Spannend wird, ob die Basis das akzeptiert.

 „Viel wird davon abhängen, ob die AfD in den Parlamenten nachweist, dass sie nicht von Radikalinskis ins Extreme geführt wird“: Anhänger der Partei 2015 bei einer Demonstration in Hamburg.

„Viel wird davon abhängen, ob die AfD in den Parlamenten nachweist, dass sie nicht von Radikalinskis ins Extreme geführt wird“: Anhänger der Partei 2015 bei einer Demonstration in Hamburg.

Foto: dpa

Ein Programm ist für eine Partei so etwas wie das Grundgesetz für den Staat. Bislang hatte die AfD keines. Daher wird man sich das erste geschriebene Programm, das die AfD Ende April beschließen will, sehr genau anschauen. Die junge Partei auf dem rechten Spektrum ist besonders attraktiv bei Protestwählern, die mit dem Kurs von Angela Merkel in der Zuwanderungspolitik nicht einverstanden sind. Nach der Lektüre des Entwurfs stellt sich die Frage, ob sich die große Zahl der Anhänger in den Kapiteln zu Asyl und Islam wohl wiederfinden kann.

Da werden europäische Lösungen in der Flüchtlingsfrage propagiert. Von Verfolgung und Bürgerkrieg bedrohte Menschen sollen weiterhin Zuflucht finden können, lediglich das Grundrecht auf Asyl soll anders benannt werden. Von einem Schießbefehl an der Grenze ist nichts zu lesen. Beim Islam bekennt sich die Partei sogar zum aufklärerischen Ideal der Glaubensfreiheit. Konsequent ist sie bei der religiösen Toleranz freilich nicht. Schließlich will sie ihre Animosität gegenüber dem Islam zum Programm machen.

Unter dem Strich lässt sich sagen: Das Familienbild ist konservativ, es gibt basisdemokratische Elemente wie etwa die Forderung nach Volksabstimmungen. Zuweilen trägt das Programm kuriose Züge, etwa wenn das Tragen von Waffen als Bürgerrecht bezeichnet wird. Aber: Es ist nicht radikal, nicht einmal rechtspopulistisch. Spannend sind nun zwei Fragen: Erstens, ob die Mitglieder diese sanfte Version beim Parteitag mittragen. Und wenn ja, ob sich die Wortführer in der Praxis daran halten. Hier sind massive Zweifel angebracht. Die Partei hat ein handfestes Problem mit ihrem Personal. Und zwar sowohl an der Basis als auch an der Spitze.

Die Vorgänge im saarländischen Landesverband, der munter Kontakte zu Rechtsradikalen unterhielt, verweisen darauf, dass die AfD attraktiv ist für Antidemokraten und Gegner unserer Gesellschaft und Werte. Schlimmer noch: Als die Kungelei der Funktionäre mit den Rechtsradikalen nicht mehr geleugnet werden konnte, war die Spitze der Saar-AfD nicht bereit oder in der Lage, Konsequenzen zu ziehen. Nebenbei bemerkt: Was im Saarland passiert ist, das entlarvt das Gerede von AfD-Politikern und Sympathisanten, die den abschätzig so genannten Alt-Parteien und den Medien die Verantwortung für das schlechte Image der Partei geben.

Es zeichnet sich zudem ab, dass die AfD bald den nächsten Machtkampf um die Parteispitze erleben wird. Parteichefin Frauke Petry eckt immer offensichtlicher bei anderen an, die in verantwortlichen Positionen bei der AfD sind. Die Parteivorsitzende gerät intern immer stärker in die Isolation. Bleibt die Frage, ob die Probleme Petrys von politischen Differenzen herrühren oder ob es eher persönlich motivierte Konflikte sind, die der AfD-Chefin das Leben in ihrer eigenen Partei zunehmend schwer machen.

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