GA-Interview mit Innenminister Jäger "Einbruchszahlen in Bonn sinken"

Bonn · Am Mittwoch beginnt in Bonn die Konferenz der Innenminister. Vorsitzender ist in diesem Jahr der nordrhein-westfälische Ressortchef Ralf Jäger (SPD). Er nimmt Stellung zum Aufregerthema des Monats.

 Symbolfoto: dpa

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Sind rund um das Kameha-Hotel so viele Polizisten zur Sicherung der Konferenz im Einsatz, dass Einbrecher in anderen Teilen Bonns leichtes Spiel haben?
Ralf Jäger: Nein. Aber die Zunahme bei den Einbrüchen nehmen wir ernst. International organisierte Banden aus Südosteuropa sind dafür vor allem verantwortlich. Sie sind sehr schnell, mobil und gut vernetzt. Sie reisen häufig aus dem Ausland ein und nutzen die gut ausgebauten Autobahnen in Deutschland, um über Länder- und Staatengrenzen hinweg auf Beutetour zu gehen.

Das ist ja kein neues Phänomen. Haben Sie Gegenstrategien?
Jäger: Die Analysen und Auswertungen unserer Experten zeigen, dass wir es mit einem neuen Typ Einbrecher zu tun haben. Er stellt die Polizei vor besondere Herausforderungen. Wir haben deshalb die Labore des Landeskriminalamtes aufgerüstet. Die Polizisten nehmen deutlich mehr DNA-Spuren bei Einbrüchen. Dabei haben wir festgestellt, dass Einbrecher vielfach Intensivtäter sind. 354 haben wir seit August 2013 identifiziert. 115 von ihnen konnten wir hinter Schloss und Riegel bringen.

Wie war das möglich?
Jäger: Durch länderübergreifende Zusammenarbeit. An einem Tag durchsuchen wir zeitgleich und schlagartig Objekte, wo wir Täter oder Beute vermuten. Das spricht sich in der Szene sehr schnell rum. Die Diebe machen sich dann auf den Weg, ihre Beute wegzubringen, und wir kontrollieren auf den Autobahnen und Fernstraßen verdächtige Personen und Autos. Unser Konzept scheint zu wirken.

Im südlichen Rheinland aber offenbar noch nicht. In dieser Woche kamen Zahlen, dass Bonn die Einbruchshauptstadt ist.
Jäger: Bonn hat eine gute Sozialstruktur und ein dichtes Autobahnnetz. Ideale Voraussetzungen aus Sicht dieser Einbrecherbanden. Aber schon im letzten Jahr gab es Rückgänge bei den Einbrüchen. In diesem Jahr in Bonn über zehn Prozent, in Meckenheim sogar um 20 Prozent. Wir haben 2013 in NRW 1,48 Millionen Straftaten gehabt - davon rund zwei Prozent vollendete Wohnungseinbrüche. Dem setzen wir große personelle Ressourcen entgegen. Vor allem weil die Opfer sehr stark darunter leiden, wenn Fremde in ihr intimstes Umfeld eindringen.

Können private Wachdienste helfen, Täter aufzuspüren?
Jäger: Sicherheitsdienste haben nicht mehr Eingriffsrechte als jeder andere Bürger. Wenn sie etwas Verdächtiges feststellen, müssen auch sie die Polizei rufen. Kriminalität zu verfolgen, zu ermitteln und zum strafrechtlichen Abschluss zu führen, ist Aufgabe der Polizei, also von Profis. Nur die Polizisten verfügen über die notwendigen rechtlichen Befugnisse, sie wissen, wann sie einschreiten müssen und was zu tun ist.

Aber die Bürger glauben doch nicht anders zu können, weil sie ihre Sicherheit gefährdet sehen.
Jäger: Wenn man objektiv die Zahlen sieht, leben wir in einem der sichersten Länder dieser Welt. Die Wahrnehmung von Betroffenen ist aber eine andere. Die lautet: Ich fühle mich bedroht.

Sie betonen, dass sich die Bürger auch selbst schützen können, etwa durch bessere Fenster. Wäre eine Abwrackprämie für alte Fenster etwas für NRW?
Jäger: Interessant ist: Die versuchten Einbrüche haben zugenommen, die vollendeten sind zurückgegangen. Das zeigt: Mit Sicherheitsvorkehrungen können Bürger vieles bewirken, denn diese Einbrecher haben keine Zeit. Die wollen schnell rein und schnell wieder raus. So ein Einbruch dauert zwei, drei Minuten. Die bevorzugte Beute ist Bargeld, Schmuck und wertvolle elektronische Kleingeräte.

Dann wäre so eine Abwrackprämie für Fenster ja genau richtig.
Jäger: Das Land NRW fördert schon jetzt den Einbau von sicheren Türen und Fenstern mit günstigen Darlehen.

Die Anzahl der Salafisten steigt weiter. Sie sagen: Das macht mir große Sorgen. Vor knapp zwei Jahren haben Sie noch gesagt: Das macht mir Sorgen. Sind Ihre Sorgen größer geworden?
Jäger: Die bestehen unverändert.

Was sind Ihre größten?
Jäger: Die Radikalisierung einiger junger Menschen vollzieht sich sehr schnell. Manchmal sogar innerhalb weniger Wochen. Besondere Sorgen machen uns einige Rückkehrer aus dem Syrien-Krieg, die durch die Kampfhandlungen verroht und unberechenbar sind. Andere sind frustriert und desillusioniert, zum Teil traumatisiert.

Was tun Sie dagegen?
Jäger: Die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden ist deutlich besser geworden. Aber es gibt noch Luft nach oben. Außerdem müssen wir ein Abgleiten in diese Szene verhindern oder die Menschen wieder herausholen. Dazu haben wir das Projekt "Wegweiser" aufgelegt. In Bonn, Bochum und Düsseldorf haben wir damit begonnen. Dort bauen wir zusammen mit Schulamt, Jugendamt, Moscheevereinen und Imamen ein Netzwerk auf, um den gefährdeten jungen Leuten und ihren Familien zu helfen.

Ein Projekt für ganz Deutschland?
Jäger: Wir sind bundesweit Vorreiter. Wir haben bereits eine gute Resonanz. Deshalb stellen wir unser Präventionsprojekt auf der Innenministerkonferenz vor.

Stichwort Syrien: Muss Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen?
Jäger: Ich setze mich dafür ein. Die Lage in Syrien ist dramatisch, und eine Stabilisierung des Landes ist nicht zu erwarten. Wir müssen hier Vorbild sein für Europa. Denn da geschieht viel zu wenig.

In vielen Städten wie Köln oder Duisburg ist der Zuzug der Roma ein großes Problem. Es gibt Anzeichen, dass die Zahlen zurückgehen. Ist das so?
Jäger: Es hat sich gezeigt, dass manche Menschen weitergezogen sind. Die Städte haben deshalb ihre Melderegister bereinigt.

Aber viele melden sich doch gar nicht in der Stadt an.
Jäger: Richtig. Das heißt: Es gibt nach wie vor eine Herausforderung für einige Städte. In Duisburg stammen bereits zwei Prozent der Bevölkerung aus Rumänien und Bulgarien. In Köln liegen die Zahlen absolut höher, im Verhältnis sind es knapp ein Prozent.

Gibt es zum Roma-Zuzug neue Projekte auf Landesebene?
Jäger: Wir haben den betroffenen Städten 7,5 Millionen Euro gegeben. Viele der Zugewanderten haben nicht mal eine Krankenversicherung. Dagegen tun wir was. Aber wir müssen auch mehr in den Herkunftsländern tun. Rumänien hat Anspruch auf über drei Milliarden Euro von der EU, mit denen die Lebensverhältnisse der Roma verbessert werden könnten. Davon sind nicht mal zehn Prozent abgerufen, weil es dort keine funktionierende Verwaltung gibt. Hier sind Europa und die Bundesregierung gefordert.

Massendelikt Handyraub

Bundesweit sind der Polizei derzeit über 1,6 Millionen Handys und Smartphones als gestohlen gemeldet. Allein in NRW sei die Zahl der Delikte seit 2011 um 50 Prozent auf 76 000 im vergangenen Jahr gestiegen, sagte NRW-Innenminster Jäger gestern. Bei der Innenministerkonferenz (IMK) in der nächsten Woche in Bonn (11. bis 13. Juni) solle deshalb über eine Gerätesperre beraten werden. Möglich wäre das mithilfe der sogenannten IMEI-Nummer des Handys. Wenn das Handy bei der Polizei als gestohlen gemeldet wird, könne der Betreiber die IMEI-Nummer in eine internationale Sperrliste eintragen. Dann kann auch mit einer anderen SIM-Karte nicht mehr telefoniert werden. Bisher ist dies schon freiwillig möglich, eine offizielle Regelung gibt es nicht.

Zur Person

Ralf Jäger (53) ist seit 14 Jahren Landtagsabgeordneter und seit Juli 2010 NRW-Innenminister. Seinen Werdegang bei der SPD begann er in Duisburg. Vor seiner Landtagskarriere arbeitete der Minister als Fachreferent im Gesundheitswesen. Jäger gilt als Verfechter der Wiederaufnahme der Vorratsdatenspeicherung.

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