NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft "Ein paar Zügel in der Hand halten"

DÜSSELDORF/BONN · Die Akkus hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nach den stressigen Koalitionsrunden im Bund über den Jahreswechsel wieder aufgeladen. In NRW tobt aber inzwischen ein heftiger Streit über Pläne der Landesregierung, die Hochschulen wieder an die kurze Leine zu legen.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD, rechts) und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann (Grüne) bei der Landespressekonferenz.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD, rechts) und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann (Grüne) bei der Landespressekonferenz.

Foto: dpa

Wirtschaft, Rektoren und Hochschulräte laufen Sturm gegen die Ankündigung, dass Hochschulen künftig "in geeigneter Weise" über Themen, Umfang und Auftraggeber von Forschungsaufträgen Auskunft erteilen sollen. Kraft hält Vorwürfe, sie wolle die Wissenschaftsfreiheit einschränken, für "abenteuerlich" und "Unsinn".

Gleichwohl räumt sie offen ein, dass die Regierung "noch ein paar Zügel in der Hand behalten will". Vor der Presse stellte sich die Regierungschefin gestern voll vor ihre umstrittene Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD).

Die Hochschulen erhielten jährlich fast sechs Milliarden Euro Landesmittel, da müsse das Land Transparenz über die Verwendung der Gelder einfordern. Kraft wies die Kritik zurück, NRW wolle in die Detailsteuerung der Hochschulen eingreifen.

Auch künftig müsse keine Hochschule Dokumente mit Betriebsgeheimnissen der Wirtschaft offenlegen. Es gehe lediglich um die Darlegung von Forschungsschwerpunkten, versprach Kraft. Von einer Milliarde Euro Drittmitteln im Jahr stammen 200 Millionen Euro von der Industrie.

Die Ministerpräsidentin forderte Kritiker deshalb auf, die "Kirche im Dorf zu lassen", und sicherte einen Dialogprozess sowie ein "Aufeinanderzugehen" im laufenden Gesetzverfahren zu. Für 2014 hat die rot-grüne Landesregierung ein dickes Aufgabenpaket geschnürt.

  • In den nächsten Wochen soll in 59 Städten eine Mietpreisbremse eingeführt werden - darunter Köln, Bonn, Brühl, Euskirchen, Frechen, Hürth, Kerpen, Overath, Rösrath, Sankt Augustin, Siegburg, Troisdorf und Wesseling. Innerhalb von drei Jahren dürfen Mieten dann nur noch um 15 Prozent (bisher 20 Prozent) erhöht werden.
  • Die Energiewende bleibt "Chefsache". Kraft hält am Einspeisevorrang für Erneuerbare Energien fest. Damit die Energiewende Akzeptanz bei den Bürgern erhält, soll der Anstieg der Stromkosten für Verbraucher begrenzt werden.
  • Für die Bewältigung der "Armutszuwanderung" verlangt NRW finanzielle Hilfen von Berlin und Brüssel. EU-Sozialkommissar Laszlo Andor kommt am 7. Februar zu einer Visite in das besonders belastete Duisburg.
  • Das Programm "Kein Abschluss ohne Anschluss", an dem bisher 70.000 Achtklässler Praktika in Betrieben machen, soll bis 2018/19 auf 512 000 Schüler (Klassen 8 bis 10) ausgebaut werden.
  • Eine Novelle des Strafvollzugsgesetzes soll sicherstellen, dass Straftäter ihren Opfern nach Haftverbüßung Schmerzensgeld zum Ausgleich der Schäden zahlen.

Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) kündigte einen "Pakt für Grundbildung" mit Gewerkschaften und Verbänden an, um die Angebote zur Alphabetisierung zu erweitern. Bundesweit können 7,5 Millionen Menschen nicht richtig lesen und schreiben. In Sachen Klimaschutz kündigte Löhrmann bis zum Sommer einen NRW-Klimaschutzplan an. In der Wirtschaft wird vor zusätzlichen Belastungen durch neue Auflagen gewarnt.

FDP-Fraktionschef Christian Lindner kritisierte, dass Kraft in ihrem Ausblick keine einzige Maßnahme benannt habe, wie sie die Wachstumslücke in NRW gegenüber den anderen Bundesländern schließen wolle. In der Energiepolitik besäßen die Grünen faktisch die Richtlinienkompetenz. Deshalb wolle Kraft zwar die Stromkosten senken, halte aber mit Rücksicht auf die Grünen am Einspeisevorrang der Erneuerbaren Energien fest, sagte Lindner. Auch der Protest der Hochschulen sei offenbar ungehört bei Kraft verhallt.

CDU-Oppositionschef Armin Laschet fordert Kraft zum Dialog mit Hochschulen und Unternehmen auf, um die drohende Abwanderung der Forschung aus NRW in andere Bundesländer zu verhindern. Kraft habe die Dramatik der Debatte über das geplante Hochschulgesetz offenbar nicht verstanden, wenn sie die Bedenken der Experten als "künstlich aufgebauscht" abtue.

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