Altpräsident Jacques Chirac Ein charmantes Schlitzohr wird 80

PARIS · Als ihm die Einwohner von Saint Tropez bei einem Besuch vor gut zwei Jahren wieder einmal einen stürmischen Empfang bereiteten, winkte Jacques Chirac ab: "Man ist immer beliebt, wenn man nichts mehr ist." In Meinungsbarometern hängt der Altpräsident seit Jahren alle aktiven Politiker ab.

 Die Franzosen lieben ihn wieder: Jacques Chirac.

Die Franzosen lieben ihn wieder: Jacques Chirac.

Foto: ap

So populär war er nicht immer während seiner 43 Jahre in der Politik, davon 18 Jahre lang als Bürgermeister von Paris, vier Jahre als Premierminister und zwölf Jahre als Präsident. Doch wenn Chirac morgen seinen 80. Geburtstag feiert, werden ihn viele Nostalgiker hochleben lassen.

Konnte ihn 2007 noch sein Parteifreund Nicolas Sarkozy, mit dem er sich persönlich nie verstanden hat, ablösen mit dem Versprechen, endlich einen "Bruch" zu machen mit dem verkrusteten, unbeweglichen System Chirac, so sehnten sich viele bald zurück nach dem leutseligen Lebemann an der Staatsspitze.

Der lieber Bier trank als Champagner und ordentliche Wurst- und Fleischportionen den eleganten, aber mickrigen Petits Fours vorzog. Der sich langen Bädern in der Menge hingab und auf den Landwirtschaftsmessen hingebungsvoll Kuhhintern tätschelte.

Wie dem jetzigen sozialistischen Präsidenten François Hollande, den er zur Erschütterung seiner konservativen Parteifreunde unterstützte - "ein Scherz", wie er später wenig überzeugend erklärte - diente Chirac die französische Provinz als Sprungbrett für eine Ausnahme-Karriere.

Geboren ist er allerdings in Paris. In die gehobenen Kreise führte ihn seine Frau Bernadette ein, die er auf der Elitehochschule Sciences Po kennenlernte und die er bis heute öffentlich siezt. Ein interessanter Kontrast zu seinem Hang zum direkten Wort, der ihm 1988 den Vorwurf der britischen "Sun" einbrachte, ordinär zu sein.

"Was will sie denn noch, diese Hausfrau? Meine Eier auf einem Tablett?", soll er nach harten Verhandlungen mit Margaret Thatcher geschimpft haben. Während ihn seine Freunde als charmantes Schlitzohr beschreiben, sehen ihn seine Gegner als Opportunisten, der politische Gegner unbarmherzig auszuschalten wusste. Seine Überzeugungen konnten schwanken.

Verehrt wird er bis heute für das französische "Non" 2003 zu einem Irak-Krieg und das erstmalige Eingeständnis durch einen Staatspräsidenten einer Schuld Frankreichs an der Ermordung von Juden während der Nazi-Besatzung. Mit dem Musée du Quai Branly hat Chirac Paris ein hervorragendes Museum für außereuropäische Kunst hinterlassen.

Als Niederlage musste er das Scheitern des EU-Referendums 2005 einstecken, auch begleiteten Vorwürfe der Vetternwirtschaft und der Veruntreuung seine Karriere. Wegen eines Systems fiktiver Stellen in seiner Zeit als Pariser Bürgermeister wurde er 2011 als erster Präsident zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Der Auftritt vor Gericht blieb dem geschwächten Chirac dabei erspart, der an Alzheimer und Schwerhörigkeit leidet. Den Jubel seiner Landsleute zu seinem Ehrentag dürfte er aber trotzdem vernehmen: Denn er wird laut sein.

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