Michael Hoch über das 200. Jubiläum Ein Interview mit dem Bonner Uni-Rektor

Bonn · Uni-Rektor Michael Hoch spricht über das 200. Jubiläum im kommenden Jahr, die Exzellenz-Bestrebungen der Hochschule und die Entwicklungen im Wissenschaftsbetrieb.

Herr Hoch, Hochschulen leben oft in ihrer eigenen Welt. Im Hinblick auf das Jubiläum im kommenden Jahr betonen Sie aber auch die Rolle als Teil der Stadtgesellschaft. Warum?

Michael Hoch: Weil die Studierenden zu 60 Prozent aus der Stadt und der Region stammen und die Absolventen zu gleichem Anteil wieder in die Region hineingehen. Es gab hier schon immer ein enges Verhältnis zwischen der Gesellschaft, den Unternehmen und der Universität. Zudem haben wir die Verpflichtung, unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Gesellschaft hineinzutragen. Wir sind nicht nur global vernetzt, sondern auch lokal verankert.

Was kann die Uni für die Stadt tun?

Hoch: Wir bringen durch Lehre und Forschung auf Spitzenniveau ein internationales und junges Flair nach Bonn, durch das auch viele internationale Studierende angezogen werden. Das ist für Unternehmen sehr attraktiv, aber auch für die Bürger. Wir müssen uns aber noch mehr für die Gesellschaft öffnen und die Hürden, in die Universität hineinzuschauen, abbauen. Da bin ich als Rektor auch persönlich gefragt.

Und umgekehrt: Was wünscht sich die Universität von der Stadt?

Hoch: Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zur Stadt. Das zeigt sich etwa bei der Unterstützung für unsere Bauvorhaben, und man kann es bei gemeinsamen Veranstaltungen erleben. Ich würde mir aber wünschen, dass wir gemeinsam mehr an zukünftigen Schwerpunkten arbeiten, um aus der Wissenschaft und der Politik heraus Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln, die national wie international eine größere Strahlkraft erzeugen. Ich denke da an Themen wie Nachhaltigkeit oder Europa.

Es gab die Debatte um Uni-Institute, die in Bad Godesberg angesiedelt werden sollten. Sollte die Uni strukturpolitisch wirken?

Hoch: Nein. Die Universität dient nicht dazu, Strukturprobleme in der Stadt zu lösen. Wir müssen vielmehr überlegen, wie wir uns fokussieren auf die Standorte Campus Poppelsdorf, Endenich, Kinderklinik und rund um das Hauptgebäude. Damit Synergien in der Forschung entstehen, muss man sich begegnen können.

Was sind dir großen Herausforderungen der Zukunft?

Hoch: Wir bewerben uns gerade in der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder. Es macht mich stolz, dass wir in der ersten Runde bundesweit am erfolgreichsten abgeschnitten haben, denn es ist ein Aufbruch in der Universität spürbar. Nun besteht zum einen die Möglichkeit, unseren derzeit zwei Exzellenzclustern in der Mathematik und der Immunologie noch bis zu fünf weitere folgen zu lassen, sollten die nun geforderten Vollanträge erfolgreich sein. Zum anderen streben wir den Status als Exzellenzuniversität an. Dadurch würden wir eine dauerhafte Förderung des Bundes bekommen und könnten grundlegende Dinge wie die Verbesserung der Infrastruktur anpacken. Wir bräuchten nach Schätzungen bis zu einer Milliarde Euro, um unsere Gebäude zu erneuern, denn allein der Hälfte von ihnen wurde vor 1950 erstellt. Für eine solche bauliche Erneuerung könnte die Exzellenzstrategie der Hebel für die Finanzierung sein. Da liegt noch sehr viel Arbeit vor uns.

Sie planen also keine elitäre Universität, sondern wollen Verbesserungen, die allen zugute kommen?

Hoch: Ja. Wir könnten in der Breite neue bauliche Strukturen schaffen, etwa für die Nachwuchsförderung oder die Familienbetreuung.

Sie kooperieren in diversen Bereichen mit den Universitäten Aachen und Köln; das Rheinland kann bei den Erfolgen im Rahmen der Exzellenzstrategie mit Berlin und München mithalten. Machen Sie da aus der Not eine Tugend, weil Sie im internationalen Wettbewerb um die hellsten Köpfe finanziell nicht mithalten können?

Hoch: Wissenschaftler sind nicht allein an Geld interessiert. Entscheidend ist, wer sonst noch an einem Standort arbeitet. Mit einem Fields-Medaillen-Gewinner wie dem Mathematiker Gerd Faltings beispielsweise wollen Wissenschaftler und auch Studenten in Kontakt treten. So etwas ist ein wichtiger Aspekt, den wir bieten müssen: Ein Lebensweg muss durch solche Personen verändert werden können. Deswegen müssen wir forschungsorientiertes Lehren unbedingt erhalten.

Die Hochschulen haben verstärkt private Konkurrenz bekommen, wo sehr viel Wert auf die individuelle Betreuung der Studierenden gelegt wird. Ist das eine Gefahr für die Universitäten?

Hoch: Ich habe das Gefühl, dass wir da gut aufgestellt sind und uns keine Sorgen machen müssen. Ich möchte auch betonen, dass wir mit den anderen Hochschulen in der Region sehr gut interagieren. Für uns geht es eher darum, zu schauen, wie wir als Region handeln können, denn im weltweiten Wettbewerb schaut man auch auf solche größeren Strukturen.

Die Fachhochschulen geben sich zunehmend universitär, die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg spricht von anwendungsorientierter Universität. Das zielt auf Ihren Markenkern. Wie beurteilen Sie das?

Hoch: Skeptisch. Es ist nicht gut, wenn im deutschen Wissenschaftssystem, in dem wir Arbeitsteilung haben, alle irgendwie das gleiche machen. Das wird nicht funktionieren. Wir müssen überlegen, wie wir es schaffen, dass diese Hochschulformen sich besser wechselseitig ergänzen.

Das Land als Geldgeber der Hochschulen ist nicht sehr wohlhabend. Ist das ein Standortnachteil?

Hoch: Wenn wir den Anspruch haben, herausragende Forscher und Talente zu gewinnen, müssen wir diesen Leuten auch eine Infrastruktur, etwa modernste Labore, bieten, mit der internationale Spitzenforschung möglich ist. Bisher haben wir das immer gut kompensieren können. Allerdings ist der Alltag auch dadurch charakterisiert, dass wir sehr viel Energie für die Kompensation von baulichen Mängeln aufwenden müssen. Diese Grundsituation müssen wir verbessern können.

Der für Bauvorhaben verantwortliche Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) steht oft in der Kritik...

Hoch: Man kann die Schuld und Verantwortung nicht immer so leicht zuordnen, wenn es lange dauert oder chaotisch wirkt. Aber letztlich ist der BLB zu unbeweglich. Deswegen würden wir uns bei bestimmten Bauvorhaben mehr Autonomie wünschen.

Sie sind viel international unterwegs. Wie wird Bonn bewertet?

Hoch: Sehr positiv. Immer wieder werden wir von den deutschen Botschaften eingeladen, wenn wir im Ausland sind. Dabei kommt häufig heraus, das Botschaftsmitarbeiter auch schon in Bonn gearbeitet haben, vor allem zu Hauptstadtzeiten. Nur: Wir müssen darauf achten, dass wir neue Schwerpunkte setzen, um unseren guten Ruf zu erhalten, denn die Generation, die sich an Bonn als Hauptstadt erinnert, wird bald nicht mehr da sein.

Wie ist das Verhältnis zu den UN-Einrichtungen in der Stadt?

Hoch: Der Kontakt zur United Nations University ist sehr gut, da gibt es Kooperationen im Kontext der Nachhaltigkeit und den gemeinsamen Studiengang zum Management von Umweltrisiken. Der Kontakt zu den UN-Sekretariaten ist aber ausbaufähig – was wohl auch daran liegt, dass sich die UN neutral verhalten muss und sich nicht so sehr lokal involvieren kann. Wir versuchen aber, den Kontakt zu intensivieren.

Digitalisierung ist derzeit ein großes Schlagwort. Wie wird sich dieser Prozess auf die Universität der Zukunft auswirken?

Hoch: Forschung, Lehre, aber auch Verwaltung und die Studierenden werden davon sehr stark beeinflusst werden. Wir müssen die Lehrprogramme so verändern und anpassen, dass die Studierenden auch in fünf Jahren noch gut ausgebildet sind. Wir können als Universität aber auch positive Entwicklungen der Digitalisierung in die Gesellschaft vermitteln, denn es geht um Wandel und eine Zukunft, die positiv zu erschließen ist. Die Digitalisierung könnte auch das Problem der hohen Studierendenzahlen lösen, weil sie neue Lernkonzepte ohne Präsenz ermöglicht. Was allerdings nicht heißt, dass die Hörsäle aussterben werden, denn die persönliche Begegnung wird gebraucht.

Wenn Sie heute 18 wären und studieren könnten: welches Fach?

Hoch: Sicherlich Mathematik, weil wir dort herausragende Persönlichkeiten haben, die in der Weltspitze sind. Das zweite Fach wäre Archäologie, weil dort zahlreiche naturwissenschaftliche Einflüsse prägend sind und Big Data eine große Rolle spielt – faszinierend.

Die Universität wurde vor 200 Jahren gegründet. Ist etwas konstant geblieben?

Hoch: Das Humboldt'sche Ideal ist geblieben: die Einheit von Forschung und Lehre; nach der Wahrheit zu streben und zu hinterfragen. Das ist auch das, was wir in die Gesellschaft hineintragen müssen, denn davon lebt die Demokratie – und die ist an der ein oder anderen Stelle in Gefahr, weil es Menschen gibt, die eigene Wahrheiten so platzieren, dass es keinen Raum mehr für Fragen gibt.

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