Gefährlicher Einsatz von Pestiziden EU will Bienensterben verhindern

Brüssel · Die stille Harmonie der gelb-schwarzen Insekten gibt es nur noch in alten Kinderliedern. Tatsächlich kämpfen nicht nur die deutschen, sondern auch die europäischen Bienen ums Überleben.

 Honigbienen leben derzeit gefährlich.

Honigbienen leben derzeit gefährlich.

Foto: dpa

Als im Vormonat der Imkerverband zur Jahrestagung nach Berlin lud, machten erschreckende Zahlen die Runde: Von den etwa 700.000 Bienenvölkern, die der Verband hierzulande bisher zählte, haben rund 120000 den Winter nicht überlebt.

Auch wenn daran eingeschleppte Parasiten wie die Varroa-Milbe mitschuldig sind, geben viele Fachleute Pestiziden eine erhebliche Mitschuld.

Der Warnruf ist bei der Brüsseler EU-Kommission angekommen. Deren Sprecher betonte gestern gegenüber unserer Zeitung, für Präsident Jean-Claude Juncker und die übrige Kommission habe das Thema „oberste Priorität“. Konkrete Schritte werden vorbereitet: Sollten die Mitgliedstaaten zustimmen, könnten drei Pestizide, die der Gruppe der Neonikotinoiden zugerechnet werden, noch in diesem Jahr verboten werden.

Von den drei Präparaten Clothiandin und Imidacloprid aus dem Hause Bayer sowie Thiamethixam von Syngenta gehe ein „hohes Risiko“ für die Tiere aus, heißt es in einem Arbeitspapier der Brüsseler Behörde.

Die Substanzen dürfen seit 2013 ohnehin nicht mehr ohne Auflagen genutzt werden. Sollte der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel, in dem die Experten der Kommission und der EU-Länder sitzen, im Mai einem formellen Vorstoß zustimmen, dürfen die Pestizide ab November 2017 nur noch innerhalb geschlossener Gewächshäuser benutzt werden.

Für die beiden Chemie-Konzerne wäre das ein erheblicher Rückschlag. „Wir lehnen den Vorschlag der Europäischen Kommission ab“, hieß es vor wenigen Tagen aus der Bayer-Zentrale. Noch läuft eine Klage, die beide Hersteller gegen das bestehende Teilverbot eingereicht haben.

Die Häuser berufen sich darauf, dass es keine hinreichenden Beweise gebe, die ein Verbot begründen würden. Auch viele Landwirte hoffen, dass Brüssel die Nutzung weiter erlaubt, weil sie die Stoffe als Beizmittel für ihr Saatgut, aber auch als Spritzmittel während der Wachstumsphase von Pflanzen brauchen.

Bei der zuständigen EU-Agentur für Lebensmittelsicherheit (Efsa) im italienischen Parma hat man zwar bereits Risiken der drei Präparate für die Honigbienen ausgemacht. Die Kommission betonte in der Erklärung gegenüber unserer Zeitung, sie werde sich bei ihrem Vorschlag auf die Vorergebnisse der Efsa und die Stellungnahmen der Hersteller stützen, wenn sie im Mai möglicherweise für ein Verbot plädiert.

Damit droht der Gemeinschaft nach dem Streit um die Zulassung von Genmais wohl ein weiterer monatelanger Krach der Experten. Denn die Efsa kann ihren Schlussbericht bis dahin nicht fertigstellen. Was von den Vorergebnissen zu halten ist, sagt die Agentur in einer Erklärung selber: „Ein Großteil der Daten wurde vor der Erstellung des aktuellen Gutachtens generiert und liefert deshalb nicht in allen Fällen die notwendigen Informationen.“

Kritiker verweisen gerne auf Frankreich. Die dortige Regierung hatte 2016 beschlossen, die einschlägigen Substanzen ab 2018 vollständig zu verbieten. In Deutschland wie in der ganzen übrigen EU gilt ein teilweises Anwendungsverbot lediglich für Raps und Getreide.

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