Freihandel EU und Japan unter Druck

Brüssel · Das gemeinsame Freihandelsabkommen bereitet Probleme. Es gibt grundlegende Meinungsverschiedenheiten, die beide Seiten ungern nach außen bringen.

Seine Kampfansage hatte Shinzo Abe in die sprichwörtliche japanische Freundlichkeit verpackt: „Die EU und Japan sollten mit den USA kooperieren und die Fahne des Freihandels hochhalten“, erklärte der Premier aus Tokio am Dienstag in Brüssel – obwohl er um das strikte Nein des neuen US-Präsidenten zu solchen Plänen wusste. Direkt von der Computermesse Cebit in Hannover war der Regierungschef zur EU geeilt, um dort klarzumachen, dass man nach wie vor auf das nächste handelspolitische Abenteuer der Union dränge: ein Freihandelsabkommen mit Japan.

Seit 2013 wird verhandelt, eigentlich sollten die Gespräche schon Ende 2016 abgeschlossen werden. Nun ist von Dezember 2017 die Rede. Es gibt Probleme und grundlegende Meinungsverschiedenheiten, die beide Seiten ungern nach außen bringen. Europa steckt noch der Ratifizierungsmarathon der Vereinbarungen mit Kanada rund um das Ceta-Abkommen in den Knochen. Die amerikanische TTIP-Variante gilt als als gescheitert, seitdem US-Präsident Donald Trump den Protektionismus zum Programm gemacht hat. Da wollten Brüssel und Tokio den Freihandel nicht nur voranbringen, sondern sozusagen ein Signal gegen den Protektionismus setzen.

Doch in Brüssel wachsen die Zweifel, ob das gelingt. Zum einen streiten sich Japan und die Gemeinschaft in vielen sachlichen Fragen. Während die Abschaffung der Zölle zu fast 98 Prozent praktisch beschlossen ist, geht es inzwischen um die Öffnung der Märkte für die Wettbewerber der jeweils anderen Seite. Doch die bisher ohne die Öffentlichkeit ausgehandelten Papiere, die jetzt österreichischen Medien zugespielt wurden, zeigen zum anderen, dass mehr Zündstoff enthalten ist.

Die EU hat diesen Veröffentlichungen zufolge nahezu wortgleich die Regelungen über Schiedsgerichte übernommen, die auch in den beiden anderen Abkommen festgehalten wurden. Demnach soll es einen transparent arbeitenden, international besetzten und unabhängigen Gerichtshof geben – aus EU-Sicht so etwas wie eine handelspolitische Revolution. Doch Japan hält davon gar nichts. In Tokio besteht man auf der bisherigen Praxis, also geheim tagenden Gerichten. Kommissionsbeamte in Brüssel betonten, weniger als im Ceta-Abkommen mit Kanada werde es nicht geben können.

Die Deutlichkeit erscheint notwendig, weil die Kommission fürchtet, es könne zu einer ähnlichen Welle des öffentlichen Widerstands kommen, die bei TTIP und Ceta zu erheblichen Verzögerungen führte – im Fall der amerikanischen Freihandelsversion sogar zum Scheitern. Beide Seiten stehen unter Druck, weil sie ihre wirtschaftliche Öffnung brauchen. Schon im Mai beim G7- und kurz darauf beim G20-Gipfel unter deutschem Vorsitz wollen sie Trump motivieren, seine Widerstände aufzugeben.

Das sah auch Abe in Brüssel so und versprach „schnelle und konkrete Fortschritte“, die zu „transparenten und vertrauensvollen Beschlüssen“ führen. Wäre dies der Fall, könnte Trump tatsächlich unter Druck geraten, zumal sich auch China auf die Seite der Freihandelsbefürworter schlagen dürfte. Entsprechende Signale habe es, so wurde gestern betont, bei Telefonaten von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jingping gegeben. Alle gegen Trump? Ob Japan und die EU schnell einen Durchbruch schaffen, ist offen. Die nächste Gesprächsrunde findet im April in Tokio statt.

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