EU-Gipfel Drei Themen und keine Einigung in Brüssel

Brüssel · In Brüssel sollte es am Freitag um Handelspolitik gehen. Wegen des Streits um Ceta werden daraus Krisengespräche. Und das Gerangel um das Abkommen ist nicht der einzige Punkt, bei dem die Union nicht weiterkommt: Auch in den anderen Themen gibt es keine Einigung.¶

 Sie sorgte für Verärgerung: Die britische Premierministerin Theresa May.

Sie sorgte für Verärgerung: Die britische Premierministerin Theresa May.

Foto: dpa

Dass 28 europäische Staats- und Regierungschefs das Ergebnis ihres Treffens 75 wallonischen Volksvertretern überlassen mussten – das hat es noch nicht gegeben. „Es laufen noch Beratungen in Belgien“, mehr wollte die Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag zum eigentlich Reizthema Ceta nicht sagen. Und so blickten die EU und Kanada gemeinsam an diesem Tag weniger nach Brüssel als nach Namur, wo der Ministerpräsident des wallonischen Landesteils, Paul Magnette, zur Schlüsselfigur wurde. „Die Frage ist: kaufen wir die Katze im Sack?“, fragte er am Vormittag in seinem Mini-Parlament.

Die frankophonen Belgier blieben beharrlich: Ceta, das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen, lehnten sie am Freitag erneut ab. „Wenn Schiedsgerichte und nicht belgische Höfe in Streitfragen entscheiden, sind wir draußen“, formulierte Magnette. Dabei hatten in der Nacht zuvor noch die EU-Botschafter der 28 Mitgliedstaaten einen Kompromissvorschlag ausgearbeitet, mit dem man die wallonischen Bedenken ausräumen wollte. Doch auch der wurde zurückgewiesen. Im Kreis der Staats- und Regierungschefs kam es sogar zu einem Wortgefecht, als Belgiens Premier Charles Michel Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aufforderte, mit den Wallonen zu sprechen. Doch der konterte nur kühl: „Wer ist der belgische Regierungschef? Sie oder ich?“.

Am Schluss, den es (noch) nicht gab, stand die EU ebenso sprachlos wie ohnmächtig da. Formal, so betonte Handelskommissarin Cecilia Malmström, bleibe noch bis Montag Zeit. Dann aber sollte man der kanadischen Führung („Die müssen ja auch mal ihre Flugtickets kaufen“) schon sagen, ob der Vertrag am Donnerstag in Brüssel unterzeichnet werden kann oder nicht. Am Wochenende will man weiter verhandeln, auch wenn Premier Michel schon sagte, er sei „beunruhigt über den Ernst der Lage“. Sollte der belgische Landesteil nicht einlenken, steht Ceta vor dem Aus. Denn es werden 28 Unterschriften benötigt.

Das passte zur miesen Stimmung der Staats- und Regierungschefs, die sich schon in der Nacht breitgemacht hatte. Bis zum Aperitif waren sich die meisten einig, dass man Russland mit Sanktionen drohen solle, um die Luftangriffe Moskaus auf die syrische Stadt Aleppo einzudämmen. Doch dann kippte die Stimmung, nachdem zunächst Ungarn und Griechenland sowie schließlich auch Italiens Premier Matteo Renzi umgefallen waren und Kremlchef Wladimir Putin lieber nicht reizen wollten.

Am Ende fand man das, was Merkel als das „Mindeste“ bezeichnete, auf das man sich habe einigen können – einen nichtssagenden diplomatischen Kompromiss: Falls die Luftangriffe weitergingen, werde man sich „überlegen, was tun wir jetzt“, wie es die Kanzlerin ausdrückte. Selbst die sonst auf Ausgleich bedachte deutsche Regierungschefin meinte nach dem Treffen, sie hätte eine „schärfere Formulierung vorgezogen“.

Als sich die britische Premierministerin Theresa May dann auch noch erdreistete, die Kollegen dafür zu kritisieren, dass sie sich bereits ohne London im Kreis der 27 zu einem Gipfel in Bratislava getroffen hatten, gab es nur noch blankes Unverständnis. „Das ist eine Folge des Brexits“, raunzte Ratspräsident Donald Tusk als Chef des EU-Gipfels zurück. Angeblich soll er noch nachgeschoben haben: „Wer nicht mehr mit am Tisch sitzen will, kann auch nicht mitessen.“

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