Interview mit Bildungsministerin Anja Karliczek Diskussion über Zentralabitur überfällig

Bonn · Die neue Diskussion über ein Zentralabitur sei richtig und überfällig, sagt Bundesbildungsministerin Anja Karliczek. Im Interview spricht sie über Abitur, Ausbildung und das bundesweite Schulsystem.

 Anja Karliczek (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung.

Anja Karliczek (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung.

Foto: dpa

Ist eine Zwei in Mathe auf dem Zeugnis in NRW, in Bayern und in Brandenburg eigentlich gleich viel wert, wenn die Schüler die gleiche Schulform und die gleiche Jahrgangsstufe besuchen?

Anja Karliczek: Der Vergleich ist ja schon unter den Schulen eines Landes schwierig, selbst wenn der Schultyp gleich ist. Und erst recht zwischen Schulen verschiedener Länder. Aber eines kann man übrigens dennoch sagen: Insgesamt haben wir in Deutschland gut ausgebildete junge Leute.

Handwerksbetriebe und Universitäten klagen aber über das Niveau der Schulabgänger . . .

Karliczek: Ach, die Jugend von früher galt ja schon immer als leistungsstärker als die heutige. Dennoch hat nahezu jede Generation die Welt vorangebracht. Was die Klagen der Universitäten angeht, muss man sehen: Heute beginnen viel mehr junge Leute ein Studium. Das ist insgesamt eine gute Entwicklung. Aber naturgemäß ist damit die Vorbildung in den Hörsälen unterschiedlicher geworden. Die Universitäten wissen das und bemühen sich, in den ersten Semestern zunächst einheitliche Grundlagen für das Studium zu schaffen. Und natürlich ist auch das Niveau der Auszubildenden recht unterschiedlich. Aber noch einmal: Man kann nicht behaupten, früher sei alles besser gewesen und heute hätten wir ein Riesenproblem. Ein Problem ist für mich eher das unterschiedliche Leistungsniveau unter den Bundesländern.

Was ja für mehr einheitliche Standards bundesweit im Schulsystem spricht. . . .

Karliczek: Ja. Einheitliche Standards in den Schulen in allen Bundesländern und in der Aus- und Weiterbildung sind für mich ein zentrales Thema für den Nationalen Bildungsrat, den wir ja planen. Durch die Digitalisierung wird sich die Welt immer schneller entwickeln. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen damit Schritt halten können. Gerade deshalb muss die Qualität der Bildung ein Kernthema in unserem Land sein. Die Bildung aller Menschen wird immer wichtiger – die in jungen Jahren, aber auch während des Berufs. Und ein gutes Bildungssystem zeichnet sich weiter durch Transparenz, Durchlässigkeit und Vergleichbarkeit der Abschlüsse aus.

Soll auch ein Zentralabitur Teil der neuen Standards werden, die ein Nationaler Bildungsrat festlegt?

Karliczek: Die neue Diskussion über ein Zentralabitur ist richtig und überfällig. Ein Abitur mit länderübergreifend gleichen Prüfungsanforderungen muss in absehbarer Zeit kommen – schon aus Gründen der Gerechtigkeit. Für den Hochschulzugang ist vielfach immer noch die Abiturnote entscheidend. Die Anforderungen an alle Abiturienten müssen in Deutschland vergleichbar sein. Die Länder sollten deshalb ihre Bemühungen für eine bessere Vergleichbarkeit bei den Bildungsabschlüssen erhöhen. Es ist gut, dass meine Kollegin Eisenmann aus Baden-Württemberg diese Debatte jetzt begonnen hat. Eines darf dabei nicht passieren: Das Niveau der Prüfungen darf nicht gesenkt werden. Das kann sich ein Land wie Deutschland, das von der Qualität seiner hochqualifizierten Fachkräfte lebt, nicht erlauben. Bundesländer, in denen an den Schulen das durchschnittliche Leistungsniveau nicht erreicht wird, müssen ihre Schüler auf ein höheres Niveau bringen, so schwierig das in manchen Regionen auch sein mag. Der Nationale Bildungsrat könnte hier auch mit Blick auf das gesamte System Empfehlungen abgeben und diesen Prozess begleiten.

Wird das zu einer stärkeren Vereinheitlichung des Schulsystems bundesweit führen?

Karliczek: Wir brauchen keine Einheitslehrpläne. Regionale Bezüge etwa in Geografie oder Geschichte muss es weiterhin geben können. Im Bildungsföderalismus kann jedes Land seinen Weg gehen. Wie die Bundesländer die definierten Lehrziele erreichen, das bleibt ihnen überlassen. Die Länder sollten aber nicht dem Vergleich ausweichen.

Wann soll der Nationale Bildungsrat installiert werden?

Karliczek: Bund und Länder liegen in den Verhandlungen schon recht dicht beieinander, bis auf die Frage des Stimmverhältnisses. Dazu werden sich die Staatssekretäre erneut in der nächsten Woche treffen. Ich gehe davon aus, dass der Nationale Bildungsrat bis Ende des Jahres eingerichtet werden kann. Wir brauchen ein solches Beratungsgremium zur Weiterentwicklung unserer Bildungspolitik.

Warum soll der Bund gleich viele Stimmen erhalten wie die Länder, die doch für die Bildungspolitik zuständig sind?

Karliczek: Da schauen Sie nur auf das Schulsystem. Der Nationale Bildungsrat nimmt alle Bildungsbereiche bzw. -etappen in den Blick – von der frühkindlichen Bildung über Schule, Ausbildung, Hochschule, Weiterbildung und Bildung im Alter. Es geht im Übrigen gar nicht um gleich viele Stimmen für den Bund wie für die Länder. Es geht darum, dass keine Seite überstimmt werden darf. Das ist schon deshalb notwendig, weil die eine oder andere Empfehlung des Rates sicher auch finanzwirksam sein wird und es – wie es ja auch allgemein gilt – Verträge zu Lasten Dritter nicht geben darf.

Der Koalitionsvertrag sieht einen Rechtsanspruch auf Betreuung auch für Grundschüler vor. Wie weit sind Sie mit der Einlösung dieses Versprechens?

Karliczek: Das gehe ich in den nächsten Monaten gemeinsam mit dem Familienministerium an. Erste Gespräche mit den Ländern gab es bereits. In den Bundeshaushalten für 2020 und 2021 sind insgesamt zwei Milliarden Euro für Investitionen eingeplant, um die Nachmittagsbetreuung an Grundschulen auszuweiten. Die Länder sagen, das Geld reiche nicht. In jedem Fall sollten wir aber damit starten. Der Rechtsanspruch soll ab 2025 gelten.

Haben sich die Menschen in Münster eigentlich schon bei Ihnen bedankt, dass die begehrte Batterieforschungsfabrik zu Ihnen in den Wahlkreis kommt?

Karliczek: In Münster haben sich einige Leute sicher gefreut. Für mein Ministerium war in enger Absprache mit dem Bundeswirtschaftsministerium einzig und allein ausschlaggebend, dass das Konsortium für Münster das beste Konzept vorgelegt hatte. Ich habe dabei in die Abwägung nicht eingegriffen, weil es bei der Bewerbung für den Standort Münster einen regionalen Bezug zu meinem Wahlkreis gab.

Was macht Münster besser als Salzgitter oder Ulm?

Karliczek: Der Vorschlag für den Standort Münster war unter mehreren sehr guten Projekten am Ende das beste Konzept. Mit ihm kann ein exzellenter Schlussstein in der Batterieforschung gesetzt werden. Es wird von hervorragenden Forschern mit großer Praxiserfahrung repräsentiert. Hinzu kommen die besten Ideen für das Recycling der rund eine Million Batterien, die dort pro Jahr produziert werden, aber aus rechtlichen Gründen nicht verkauft werden dürfen.

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