Die Wulff-Affäre in den Medien: Abrüsten! Jetzt!

Ein Kommentator, der in einer Zeitung zu einer Medienkritik ansetzt, betritt dünnes Eis. Aber vor einer Tatsache können und wollen wir die Augen nicht verschließen: Die Menschen, auch unsere Leser, reagieren zunehmend genervt auf die Wulff-Berichterstattung.

Ein Kommentator, der in einer Zeitung zu einer Medienkritik ansetzt, betritt dünnes Eis. Aber vor einer Tatsache können und wollen wir die Augen nicht verschließen: Die Menschen, auch unsere Leser, reagieren zunehmend genervt auf die Wulff-Berichterstattung. Tatsächlich überspannen einige der sogenannten Leitmedien den Bogen derart, dass aus der Wulff- mehr und mehr eine Journalismus-Affäre wird.

Inzwischen reicht es "Spiegel online" etwa, eine läppische 400-Euro-Einladung auf dem Oktoberfest für die Familie Wulff zu einer riesigen neuen Enthüllung aufzupumpen. Diese Recherche im Klein-Klein wirkt vor allem: kleinkariert. Sie nährt den Verdacht, dass ganze Redaktionen regelrecht beleidigt sind, weil Wulff nicht zurücktritt. Vor lauter gekränkter Eitelkeit pusten und pusten sie heiße Luft in den Empörungsballon und merken nicht, wie sie sich selbst durch immer mehr Schaum vor dem Mund entstellen.

Erscheint das Verhalten Wulffs vor diesem Hintergrund in einem neuen Licht? Freilich nicht. Seine Verschleierungstaktik um den merkwürdigen Hauskredit bleibt kritikwürdig. Sich auf Augenhöhe zum Anrufbeantworter des "Bild"-Chefredakteurs zu begeben, war dumm und peinlich. Die fortgesetzte Kommunikations-Katastrophe, zuletzt zu bewundern anhand der Posse um die berühmten 400 Fragen und Antworten, hat zusätzlich Glaubwürdigkeit zerstört.

Wulff hätte längst von seinem Amt zurücktreten müssen. Er hat es nicht getan. Stattdessen ist das Amt von Wulff zurückgetreten. Wann immer er künftig reden wird, werden die Menschen nicht den Bundespräsidenten hören, sondern einen Politiker, der seinen eigenen Maßstäben nicht gerecht wird und noch viel lernen muss, wie er selbst sagt. Kann man, muss man das beklagen? Na klar! Aber irgendwann ist es dann auch gut. Irgendwann ist alles Relevante aufgedeckt, ist jede Ungereimtheit, jeder Fehler analysiert, interpretiert und kommentiert.

Wulff will bleiben. Wichtiger noch: Merkel will, dass Wulff bleibt. Die Kanzlerin hat gemerkt, dass ihre CDU in den aktuellen Umfragen nicht abgestraft wird. Und sie weiß, dass sie massive Probleme hätte, einen dritten Kandidaten durch die Bundesversammlung zu bringen. Es ist nicht die Aufgabe der Medien, eine solche falsche Politik zu korrigieren. Es ist ihre Aufgabe, eine solche falsche Politik offenzulegen. Das haben sie getan. Aber ihre verfassungsrechtlich garantierte Kontrollfunktion macht sie nicht zur "vierten Gewalt" Dazu fehlt ihnen schlicht die Legitimation.

Rüsten wir also bitte endlich ab! Die Finanz- und Eurokrise hat das Potenzial, uns in eine Staatskrise zu führen - die Wulff-Affäre sicher nicht. Nach Richard von Weizsäcker gab es keinen Bundespräsidenten mehr, der sein Format hatte. Die Bundesrepublik konnte damit gut leben. Sie wird auch einen Christian Wulff überdauern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort