Bundeskabinett Die Union sorgt für Überraschungen

BERLIN · Nein, der pompöse und triumphale Auftritt ist Angela Merkels Sache nicht: Es ist kurz nach 18.30 Uhr im Konrad-Adenauer-Haus. Das Präsidium hat gerade in einer kurzen Sonntags-Sitzung das CDU-Personaltableau für die Kabinettsliste gebilligt.

Die Vorsitzende spult, so als ob es nichts Besonderes sei, die Namen der Ministerinnen und Minister herunter, die schon am Dienstag vereidigt werden sollen. Zeitgleich gibt CSU-Chef Horst Seehofer die Namen der drei Minister aus seiner Partei in München bekannt. Es seien Entscheidungen "mit Ecken und Kanten" gewesen, schildert ein CDU-Spitzenmann die personellen Schwierigkeiten.

Da ist zum Beispiel Ursula von der Leyen: Die 55-jährige Noch-Arbeitsministerin wird als Nachfolgerin der Kanzlerin gehandelt, so diese eines Tages amtsmüde ist. Solche Ambitionen wird die Mutter von sieben Kindern natürlich offiziell von sich weisen. Dass die gebürtige Brüsslerin die ehrgeizigste deutsche Politikerin ist, bestreitet aber in der CDU-Spitze niemand. Auch die Kanzlerin nicht, der die eher extrovertierte Frau mit dem Wahlkreis in Hannover manchmal zu übertrieben auftritt.

[kein Linktext vorhanden]Wie auch immer: Bei von der Leyen sollen Anfang der Woche "alle Alarmglocken geschrillt" haben, so ein Mitarbeiter, als sie mit der Besetzung des Bundesgesundheitsministeriums in Verbindung gebracht worden war. Das Risiko: Zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Pharma-Lobby und den Positionen des Koalitionspartners zerrieben und zur politischen Bedeutungslosigkeit verurteilt zu werden.

Das ist das neue Kabinett der Kanzlerin
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Sie bat um ein Gespräch mit der Parteivorsitzenden, in dessen Verlauf sie ein Schlüsselressort für sich beanspruchte. Das Verteidigungsministerium soll sie namentlich selbst ins Spiel gebracht haben. Merkels nicht überschwängliches Lob: "Eine spannende Aufgabe. Sie hat sich für internationale Politik sehr interessiert." Bekannt ist, dass Amtsinhaber Thomas de Maizière von der Arbeit an der Umsetzung der Bundeswehr-Reform und diversen Skandälchen und Skandalen im Bundeswehr-Beschaffungswesen als zermürbt gilt. Bei mehreren öffentlichen Auftritten hinterließ er zuletzt einen lustlosen Eindruck.

Von der Leyen, die als einzige Qualifikation für den neuen Job perfekt Englisch spricht, verfügt über keinerlei sicherheits- und militärpolitischen Kenntnisse. Frauen an der Spitze des Verteidigungsministeriums sind in der letzten Zeit in Europa nicht gerade die Regel gewesen: In Frankreich, Spanien, Finnland oder Schweden gab es ebenfalls solche Personalien.

[kein Linktext vorhanden]Von der Leyen ist die erste Verteidigungsministerin Deutschlands. In den Führungsetagen der Bundeswehr gab es bisher kaum Frauen. Die Frau mit der stählern geföhnten Frisur und dem manchmal eingefrorenen Lächeln hat in jedem Fall eine preußische Eigenschaft: Eiserne Disziplin. Sie übernachtet häufig, wenn es zu spät geworden ist, in einer kleinen Kammer im Ministerbüro. Die Bundeswehr wird auf das 21. Jahrhundert vorbereitet, so Merkels Vorgabe.

Eine für Merkel problematische Personalie aus dem näheren Kanzlerumfeld ist der Abgang von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla. Die mächtigste Frau hätte ihn gern gehalten; das war deutlich bei der Pressekonferenz zu spüren. Die Karriere seines Nachfolgers, Peter Altmaier, hat Merkel selbst gefördert, als sie den ersten parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Umweltminister und Nachfolger des Knall- über Fall entlassenen Norbert Röttgen machte.

Pofalla war bei der Bewältigung des Abhörkonfliktes an die Grenzen seiner politischen Möglichkeiten gekommen und hatte durch Fehleinschätzungen ("Affäre abgeschlossen") dazu beigetragen, dass die Bundesregierung in die Defensive geriet. Im Kanzleramt wird es einen weiteren beamteten Staatssekretär für die Nachrichtendienste geben.

Hermann Gröhe hatte schon frühzeitig intern zu erkennen gegeben, dass er vom CDU-Generalsekretär zum Minister mutieren wolle. Die Parteichefin gab ihm das Gesundheitsministerium und düpierte damit den gesundheitspolitischen Fraktionsexperten Jens Spahn, der sich Hoffnungen gemacht hatte.

Andere Personalien sind naheliegender: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bleibt im Amt. Der unumstrittene Politik-Fuchs wird bei den EU-Krisenverhandlungen dringend gebraucht. Der Abgang von Familienministerin Kristina Schröder - die 36-jährige CDU-Politikerin erwartet ihr zweites Kind - war abgesprochen. Besonders geschätzt wurde ihre Arbeit im Kanzleramt nicht.

Bei den CSU-Ministern gab es Überraschungen: Parteichef Horst Seehofer hatte auf drei Kabinettsposten beharrt: Die bekam er zwar, verlor aber das Bundesinnenministerium. Es ist bekannt, dass Seehofer von der Arbeit des Verkehrsministers Peter Ramsauer wenig hält. Der fehlt auf der Kabinettsliste komplett. Es soll zu dauerndem Streit zwischen beiden gekommen sein. Dass Innenminister Friedrich nun Agrarminister wird, wird allgemein als Degradierung begriffen.

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