Krieg in Syrien Die Türkei redet weiter von Intervention

Geländegewinne für die syrischen Kurden machen Ankara nervös. Die Regierung will Fehler aus dem Irak-Krieg nicht wiederholen.

Während der Westen und Russland einen Waffenstillstand in Syrien anstreben, denkt die Türkei offenbar über eine militärische Intervention im Nachbarland nach. In den kommenden Tagen werde die Öffentlichkeit sehen, was die Türkei unternehme, sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu.

Der Vormarsch syrischer Regierungstruppen und Geländegewinne für die syrischen Kurden in der Nähe der Großstadt Aleppo haben Ankara alarmiert. Die Offensive der syrischen Truppen, die von russischen Luftangriffen unterstützt wird, hat in den vergangenen Tagen nicht nur Zehntausende Flüchtlinge an die türkische Grenze getrieben, sondern auch wichtige Versorgungswege protürkischer Rebellengruppen in Aleppo in die Türkei unterbrochen. Der Korridor zwischen der Türkei und dem etwa 60 Kilometer südlich der Grenze gelegenen Aleppo sei wichtig, sagte Davutoglu.

Besonders ominös ist aus türkischer Sicht die Tatsache, dass die Kurdenmiliz YPG im Windschatten der Kämpfe im Norden Aleppos neue Geländegewinne gemacht hat. Nach übereinstimmenden Berichten aus Nordsyrien nahmen YPG-Kämpfer in den vergangenen Tagen mehrere Dörfer ein.

Die türkische Zeitung „Hürriyet“ meldete am Freitag, die YPG habe einen Luftwaffenstützpunkt bei der Stadt Azaz erobert, die nur wenige Kilometer von der türkischen Grenze entfernt liegt. Nun rücke die YPG auf Azaz selbst vor. Eine Eroberung der Stadt könnte den von Davutoglu erwähnten Korridor schließen.

Für die Türkei ist die YPG keine Miliz wie jede andere. Sie ist der bewaffnete Arm der syrischen Kurdenpartei PYD. Beide Gruppen werden von Ankara als syrische Vertretungen der Rebellenorganisation PKK und damit als Terrororganisation gesehen. Die Türkei hat die PYD, die sich im Norden Syriens zwei Autonomiezonen entlang der türkischen Grenze erkämpft hat und diese miteinander vereinigen will, mehrmals vor weiteren Geländegewinnen gewarnt. Auch über die amerikanische Unterstützung für die PYD, die von Washington als wichtiger Helfer im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) betrachtet wird, ist die türkische Regierung verärgert.

Wenn die Türkei ihre Sicherheitsinteressen bedroht sehe, werde sie handeln, sagte Davutoglu während eines Besuches in den Niederlanden. Als Beispiel verwies er auf den Norden Iraks, wo die Türkei regelmäßig mit Truppen oder Kampfflugzeugen die Grenze überquert, um gegen PKK-Stellungen vorzugehen. Mit dem Hinweis deutete Davutoglu an, dass Ähnliches auch im Norden Syriens geschehen könnte. Auf die Frage mitreisender türkischer Reporter, ob die Türkei etwas unternehmen werde, um den Korridor zwischen der Grenze und Aleppo wieder zu öffnen, sagte Davutoglu: „Warten Sie die nächsten Tage ab, dann werden Sie die Antwort sehen.“

Möglicherweise wollte Davutoglu die YPG nur warnen, doch auch Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte in den vergangenen Tagen die Bereitschaft zu einer Militärintervention in Syrien angedeutet. Die Türkei werde in Syrien nicht den Fehler aus dem Irak-Krieg von 2003 wiederholen, sagte Erdogan. Damals hatte Ankara den USA den Angriff auf Saddam Hussein über türkisches Staatsgebiet nicht erlaubt und sich aus dem Krieg im Nachbarland herausgehalten. Als Folge hatte die Türkei nach dem Krieg kaum Möglichkeiten zur Mitsprache. Das will Erdogan im Fall Syrien vermeiden.

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