Euro-Krise in Berlin Die Rede ist von der "Griechenland-Lüge"

BERLIN · Am Ende reduziert sich das Ergebnis auf eine Frage, die am Dienstag in Berlin bei allen Fraktionssitzungen und bei beinahe jedem Pressegespräch gestellt wurde: Was kosten die im Rahmen eines Athen-Notprogramms neu bewilligten 44 Milliarden Kredit den deutschen Steuerzahler konkret?

 Im Eiltempo soll das Euro-Thema durch den Bundestag.

Im Eiltempo soll das Euro-Thema durch den Bundestag.

Foto: dpa

"Nichts", entgegnet ein müder, aber insgesamt zufrieden wirkender Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Allenfalls im Bundeshaushalt muss man durch entgangenen Zinsgewinn eine Mindereinnahme verbuchen. Der nächtliche Hilfsdeal schlägt mit 730 Millionen Euro für Deutschland zu Buche.

Das Ergebnis "breitmöglichst" zu kommunizieren, war gestern die Tagesdevise der Bundesregierung. So informierte der Minister selbst im Rahmen einer Telefon-Schaltkonferenz mit den Fraktionsvorsitzenden über die Vor- und Nachteile der getroffenen Einigung. Schäuble erhielt relativ viel Zustimmung. Die Oppositionsparteien SPD und Grüne machen sich schon ihre Gedanken über die Voraussetzung für ein "Ja".

Es gibt bei dem weiteren Verfahren eine Unwägbarkeit: die Frage eines weiteren Schuldenschnitts für Griechenland. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte noch zu Wochenbeginn ihr kategorisches "Nein" gegen eine solche Absicht bekräftigt. Sie hat Sorge, dass unter einem internationalem Schuldenerlass der deutsche Steuerzahler besonders bluten muss. Denn das bisher verliehene Geld sei dann weg.

Dennoch: Mit dieser Position steht sie ziemlich allein. Selbst FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle schloss diese Möglichkeit nicht völlig aus: "Auf Sicht", gebe es keine Änderung der deutschen Position. Die Kanzlerin fürchtet Nachteile für deutsche Investoren im Land, wenn eine Schuldenbefreiung Griechenlands akut würde.

Die rot-grünen Oppositionsparteien gehen davon aus, dass die weitere Unterstützung der Griechen durch teilweisen Verzicht der internationalen Geldgeber unausweichlich sei. Dieser werde kommen, wenn das Land strukturelle Reformprozesse der Wirtschaft durchgesetzt hat. Die SPD polterte in Gestalt ihres Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier, der Schuldenschnitt solle bis nach den Bundestagswahlen aufgeschoben werden.

Das nenne er "sich an der Wahrheit vorbei mogeln". Sein erster Parlamentarischer Geschäftsführer Thomas Oppermann ging noch einen Schritt weiter: Der SPD-Mann sprach von der nächsten "Griechenland-Lüge". Auf jeden Fall beginnen die Kanzlerin und ihr Finanzminister jetzt auf die Tube zu drücken. Sie visieren den Donnerstag für die Abstimmung zur Griechenland an - so als hätte es die monatelange Auseinandersetzung über die Rolle des Parlaments nie gegeben.

Das Bundestagspräsidium soll sich "sehr irritiert" gezeigt haben. Steinmeier machte sich erneut zum Anwalt des Bundestages. Auch in Krisenzeiten verlange der Respekt vor dem Bundestag, dass die vielen "offenen Fragen" diskutiert werden müssen.

Er lehne das "Verschleppen von Entscheidung ab, aber eben auch ein Unter-Druck-Setzen". Der einzige Grund für die schnelle Behandlung im Parlament ist ein Termin: Am 13. Dezember will die Euro-Gruppe die Auszahlung der beschlossenen Gelder vornehmen. Bis dahin gibt es aber keine Sitzungswoche.

Interessant ist die Reaktion der deutschen Wirtschaft, die den Entscheidungen äußerst reserviert gegenübersteht. Der Druck auf die griechische Regierung, noch grundsätzlichere Reformen anzusteuern, sei sehr groß.

Sicher nicht zu Angela Merkels reinster Freude zeigte sich der Wirtschaftsrat der CDU extrem hart gegenüber den Ergebnissen der Finanzminister-Runde. Er sprach von einer "griechischen Insolvenz-Verschleppung". Die getroffenen Maßnahmen, so der CDU-Wirtschaftsflügel, seien ein falscher Weg: "Immer noch wird versucht, die Lösung der Krise in die Zukunft zu verschleppen und die Kosten in die Intransparenz zu verschieben".

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