Kommentar zur Zukunft von Angela Merkel Die Macht gehört ins Parlament

Meinung | Berlin · War es das mit der Kanzlerschaft von Angela Merkel? Soweit ist es noch nicht. Aber klar ist auch, dass die Entscheidung der CDU/CSU-Fraktion von Dienstagnachmittag die Ablösung der Kanzlerin einleitet.

 Der Tag nach der Abstimmungsniederlage für Volker Kauder: Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch vor der Sitzung des Bundeskabinetts.

Der Tag nach der Abstimmungsniederlage für Volker Kauder: Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch vor der Sitzung des Bundeskabinetts.

Foto: dpa

Die Abwahl von Volker Kauder ist ein tiefer Einschnitt. Dennoch ist es ein hoffnungsvolles Signal, dass dieser Impuls aus der Fraktion, aus dem Bundestag kommt. Es gibt also in den Parteien noch Gruppen und Mehrheiten, denen es davor graust, wenn es so weiterginge wie bisher. Anscheinend sind es nicht aufgebrachte Putschisten, die Merkels Macht angreifen, sondern es ist die sachorientierte Mitte: Abgeordnete, die es leid sind, an jedem Wochenende im Wahlkreis die Frage beantworten zu müssen, warum man sich in Berlin so ausgiebig mit sich selbst und so wenig mit den echten Problemen der Republik beschäftigt.

Auch die Führungsspitzen von CDU und CSU wissen, dass ihre Politik von weiten Teilen der eigenen Partei nicht mehr getragen wird. Aber bisher reichte es, Kauder vorzuschicken und die nötigen Mehrheiten zu organisieren. Das ist jetzt vorbei.

Das Parlament ist zurück im Spiel. Dort gehört die Macht hin, denn es ist nicht das Anhängsel irgendeines Koalitionsausschusses, sondern es ist der oberste Souverän dieses Landes. Den Christdemokraten gelingt, was die SPD bisher nicht zuwege gebracht hat, was dort aber genauso diskutiert wird. Hier wie dort bemängeln Abgeordnete, dass Debatten unterdrückt und abweichende Meinungen hart geahndet werden. Die Parlamentarier sind jedoch eindeutig näher am Volk als die Führungsmannschaften der Parteien. Gut so: Auf diese Weise kann Erneuerung gelingen.

Angela Merkel ist angeschlagen. Aber der gesamte Vorgang zeigt auch, dass es den Wählern von Ralph Brinkhaus nicht in erster Linie darum geht, die Vorsitzende abzulösen. Sie wissen genau um die Stärken der Kanzlerin und um ihr Ansehen bei vielen Wählern. Wer Merkel stürzt, könnte einen Machtverlust der Christdemokraten einleiten. Niemand in der Partei will das. Brinkhaus eröffnet die Möglichkeit für einen Kompromiss. Die Fraktion will wieder mitreden.

Merkel muss diese Chance ergreifen, dann kann sie sich noch einige Jahre auf ihre Fraktion verlassen. Dafür muss sie ihren Umgang mit den Abgeordneten neu bestimmen. Niemand beherrscht die politische Kehrtwende so wie sie. Der Neuanfang hat daher eine Perspektive. Es ist daher auch wenig sinnvoll, die Vertrauensfrage zu stellen. Merkel sitzt letztlich fest im Sattel. Schwer berechenbar ist die persönliche Komponente.

Wie all ihre Vorgänger stützt Merkel sich auf ein Netzwerk vertrauter Mitstreiter, die zentrale Positionen besetzen. Volker Kauder war dabei einer ihrer wichtigsten Weggenossen. Die neue Gemengelage ist unbequemer für Merkel und fordert mehr Einsatz, den sie vermutlich lieber in Sachfragen investiert hätte. Ob sie diese Situation annehmen will, muss sich zeigen. Doch auch die Kanzlerin weiß, dass sie nicht einfach hinwerfen kann. Wenn sie ihrer Partei die Macht erhalten will, wird sie einen geordneten Amtswechsel einleiten. Brinkhaus' geschmeidiger Putsch weist den Weg.

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