Interview mit Thorsten Wiechmann "Die Kreise sind heute zu klein"

Bonn/Rhein-Sieg-Kreis · Würden Stadt Bonn und Rhein-Sieg-Kreis fusionieren, entstünde die fünftgrößte Stadt in Deutschland. Über diese Idee sprach mit dem Dortmunder Raumplaner Thorsten Wiechmann Bernd Eyermann.

Welche Vorteile hätte ein größeres Gebilde?
Thorsten Wiechmann: Die Flächen- und Regionalplanung könnte verbessert werden. Auch die Wirtschaftsförderung. Unternehmen betrachten ihren Standort heute nicht mehr anhand kommunaler Grenzen, sondern sehen die Stadtregion. Außerdem könnten durch die gemeinsame Wahrnehmung von Aufgaben Einsparungen vorgenommen werden.

Sie sprechen von einer Stadtregion, nicht von einer Fusion.
Wiechmann: Es geht nicht darum, die Kommunen abzuschaffen, sondern darum, die Koordination auf dieser größeren Ebene sicherzustellen. Da sind auch die Kreise heute zu klein. Deshalb ist es legitim, die Frage zu stellen: Wie können wir im stadtregionalen Maßstab besser koordinieren.

Und wie wäre die Antwort?
Wiechmann: Da ist die Zusammenlegung von kreisfreien Städten und Landkreisen zu einer Stadtregion wie Aachen oder Hannover eine naheliegende Variante. Natürlich gibt es weiter Interessengegensätze, aber nicht in der alten Frontstellung zwischen Umland und Kernstadt. Es wäre einfacher, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.

Wie könnte der Weg dorthin aussehen?
Wiechmann: Man braucht einen Vorlauf und Vertrauen bei den handelnden Personen. Und erzwungen werden kann ein solches Zusammengehen auch nicht. In der Region Bonn/Rhein-Sieg - auch gemeinsam mit dem Kreis Ahrweiler - ist in den vergangenen 20 Jahren diese Basis geschaffen worden.

Könnten Sie sich eine Fusion von Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis vorstellen?
Wiechmann: Nein. Eine einzige Kommune von Rheinbach bis Windeck wäre zu groß. Realistischer ist, von einer Stadtregion oder Region zu sprechen. Darin könnten die einzelnen Kommunen weiter existieren. Die Stadt Bonn wäre dann nicht mehr kreisfreie Stadt, aber genauso wie die 19 Kommunen im Kreis Mitglied in der Stadtregion. Diese erhielte ein direkt gewähltes Gremium, wie es heute der Kreistag ist.

Sehen Sie auch Nachteile?
Wiechmann: Wenn man sich in Grabenkämpfen gegen eine solche Fusion selbst lähmt. Wenn aber in der Region generell ein Wille da ist, gemeinsam diesen Weg zu gehen, sehe ich keine wirklichen Nachteile. Man tut sich auch leichter, gegenüber höheren Ebenen wie Land oder Bezirksregierung mit einer Stimme zu sprechen. Auch fiskalisch müsste es am Ende einen Gewinn geben.

Jetzige Mandatsträger oder hohe Verwaltungsbeamte werden das nicht mit Freude sehen.
Wiechmann: Wenn zusammengelegt wird, fallen Positionen und Ämter weg. Das mag Widerstände hervorrufen, aber für die Region sehe ich nur Vorteile.

Die Region Hannover funktioniert sehr gut, sagen Sie.
Wiechmann: Dort ist es gelungen, über Umlagen einen gerechten Ausgleich zu schaffen. So beteiligt sich zum Beispiel das Umland an den Kosten des Zoos. Mal profitiert der eine, mal der andere. Insgesamt aber die ganze Region, weil man viele Dinge nie allein stemmen könnte.

Wie können die Bürger dafür begeistert werden?
Wiechmann: Die Bevölkerung ist weiter als man denkt, weil sie sehr stark in einem regionalen Alltag handelt - beim Pendeln zur Arbeit, beim Einkaufen, beim Freizeitverhalten. Wichtig ist: Die Gemeinde wird nicht angetastet. Es geht nur darum, auf der Kreisebene Stadt und Umland zusammenzuführen. Wenn man sieht, wie schwer sich Bonn tut, die wachsende Bevölkerung unterzubringen, Wohnbauflächen zur Verfügung zu stellen, dann ist klar, dass man zusammenarbeiten muss.

Zur Person
Der 44-jährige Thorsten Wiechmann ist Professor für Raumordnung und Planungstheorie an der Technischen Universität Dortmund. Er ist unter anderem im Duisdorfer Helmholtz-Gymnasium zur Schule gegangen, hat in Bonn Geographie studiert und dort in den 90er Jahren auch als Lehrbeauftragter gearbeitet. Später war er Professor für Raumordnung in Dresden.

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