Kommentar zur Gewalt gegen Polizisten Die Hemmschwelle sinkt

Meinung | Berlin · Gewalt gegen Polizeibeamte, Vollstreckungsbeamte und sogar gegen Rettungssanitäter hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Dass der Staat sich dagegen wehrt, ist die richtige Konsequenz.

 Ein gewalttätiger Demonstrant schlägt in Lübeck einen Polizeibeamten nieder.

Ein gewalttätiger Demonstrant schlägt in Lübeck einen Polizeibeamten nieder.

Foto: dpa

Erst am vergangenen Wochenende hat in Dortmund ein enthemmter Mob, vorgeblich Fußball-Fans, tatsächlich Schläger, gezeigt: Gewalt gegen Polizisten, früher gemeinhin ein Tabu, ist heute weit verbreitet, gehört in gewissen Milieus sogar zum bewährt schlechten Ton. Vor allem: Gewalt gegen Polizeibeamte, Vollstreckungsbeamte und sogar gegen Rettungssanitäter, somit gegen Einsatzkräfte, die Menschen in prekärer Lage helfen, hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. In jedem Fall ist die Schwelle, Polizisten anzugreifen, merklich gesunken.

Das ist bedenklich, weil es für eine Verrohung der Gesellschaft steht, für mangelnden oder fehlenden Respekt vor denen, deren Aufgabe es ist, den Staat zu schützen. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat (und nur dort), und nicht bei jenen, die nach selbst gemachten Regeln oder Ehrenkodexen Machenschaften pflegen oder schlicht ihren Aggressionen freien Lauf lassen.

Wenn die Bundesregierung nun eine Gesetzesverschärfung für Angriffe auf Polizisten oder Vollzugsbeamte auf den Weg bringt, trägt sie damit der gestiegenen Gewalt gegen Beamte Rechnung. Nicht jedes Mal muss das schärfere Gesetz auch das bessere Gesetz sein. Doch die Hemmungslosigkeit, mit der Polizisten inzwischen angegriffen werden, ist alarmierend. Der Staat muss seine Bediensteten schützen. Und er muss zeigen, dass hoheitliche Aufgaben wie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nicht der Willkür preisgegeben sind, nur weil die Laune eines Fußballabends (siehe Dortmund) ausgelebt wird. Rabiate Attacken gegen Polizisten, Retter und Feuerwehrleute dürfen mit der entsprechenden Härte des Gesetzes beantwortet werden, auch wenn dies nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass Bund und Länder in den vergangenen Jahren über die Maßen viel Personal bei der Polizei abgebaut haben, was sich derzeit rächt. Zu wenig Polizei ist mit ein Grund für zu viel Gewalt gegen Polizisten, weil schon die schiere Präsenz und die Erwartung schneller Verstärkung Eindruck machen kann.

Gut 64 000 Angriffe gegen Polizisten weist die Kriminalstatistik für 2015 aus. Die hohe Zahl der Attacken kann schon als Beleg für ein weiter um sich greifendes Phänomen gesehen werden. Die Strafe folgt auf dem Fuß? Künftig jedenfalls sollen bereits Angriffe bei allgemeinen Diensthandlungen wie einer Streifenfahrt oder einer Verkehrskontrolle mit Freiheitsstrafe geahndet werden und nicht erst dann, wenn Polizisten beispielsweise bei einer Festnahme angegriffen werden. Der Staat senkt seine Schwelle für eine (Haft-)Strafe, weil auch die Gewaltschwelle gesunken ist.

Auch wenn Kritiker dieser Gesetzesverschärfung anführen, dass das Strafrecht nicht das richtige Mittel sei, den Respekt vor Einsatzkräften zu steigern. Richtig ist auch: Ein Staat, der sich nicht wehrt, ist bald ein wehrloser Staat.

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