USA-Ausstieg aus Klimaabkommen Die Geisterfahrt des Donald Trump

Bonn · Der US-Präsident unterschätzt die wirtschaftlich getriebene Energiewende in den USA und überschätzt seine Entscheidung für die Wiederbelebung von Kohlejobs. Doch seine Flucht vor der Verantwortung rechtfertigt jede Empörung.

 US-Präsident Donald Trump.

US-Präsident Donald Trump.

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Die weltweite Empörung aller Aufgeklärten außerhalb des republikanischen Trump-Zirkels ist groß, der Langzeiteffekt des US-Ausstiegs aus dem Pariser Klimaschutz-Abkommen wahrscheinlich eher klein. Auch ohne Barack Obamas „Clean Power Plan“, der den Kohlendioxid-Ausstoß von Kraftwerken begrenzen soll und von Gerichten noch blockiert wird, sank die Treibhausgasemission der USA zuletzt um 2,6 Prozent. Im Pariser Abkommen haben die USA sich jedoch um eine Verringerung um 26 Prozent bis 2025 verpflichtet, was jetzt durch Trumps geplante Reaktivierung stillgelegter Kohlezechen und -kraftwerke kaum verwirklicht werden wird.

Gegen Trumps Kurs sprechen jedoch die Marktkräfte, die bereits in den letzten Jahren spürbar wirkten. Einmal wurden die durch das Fracking erschlossenen Schiefergasmengen unterschätzt, was mehr Gaskraftwerke elektrischen Strom produzieren ließ. Wer Gas statt Kohle verbrennt, halbiert seine Kohlendioxid-Emission. Zum anderen hat die furiose Entwicklung erneuerbarer Energien den Preis für Solar- oder Windstrom so massiv gesenkt, dass Kohleförderung und -verstromung in Wyoming, West Virginia und Kentucky unwirtschaftlich wurden. Nicht ein internationales Klimaabkommen oder ein US-Klimaschutzgesetz haben viele Kohlekumpel, Trumps Wähler, ihre Jobs gekostet, sondern allein der von freien Kräften des Marktes getriebene Wettstreit um die wirtschaftlichste Energieproduktion. Deshalb wird es auch kein Trump-Dekret schaffen, das Energierad zurückzudrehen und erscheint der uneinsichtige Präsident inzwischen als Geisterfahrer.

Zudem bläst Trump der Wind aus vielen ambitionierten Bundesstaaten entgegen. So hat etwa Jerry Brown das Ende des fossilen Zeitalters angeordnet, und es klingt eher nach Greenpeace als nach dem Gouverneur des bevölkerungsreichsten US-Bundesstaates: Kalifornien will bis 2030 rund 40 Prozent und bis 2050 gar 80 Prozent seiner klimaschädlichen Emission aus Industrie und Verkehr verringern.

Die „wachsende Gefahr“ des Klimawandels, sagt Brown, bedrohe die Wirtschaft und das Wohlergehen Kaliforniens, das extrem unter der globalen Erwärmung leidet. Schmelzwasser als Bewässerungswasser ist rar, weil immer weniger Schnee in den Bergen fällt. In den vergangenen 20 Jahren gab es mehr Dürren als im letzten Jahrhundert. Das macht auch der Landwirtschaft woanders zu schaffen. Riesige Rinderherden werden im Mittleren Westen zu Tränken und herbeigeschafftem Heu geführt, weil es zu wenig regnet.

Intensivere Hurrikans und andere Stürme, extreme Temperaturen und Wetteranomalien: Eine von New Yorks ehemaligem Bürgermeister Michael Bloomberg initiierte Studie sieht erhebliche Risiken: Landverluste, Rückgang der Ernteerträge, weniger Tourismuserlöse, einige Bundesstaaten könnten das Gros ihrer Landwirtschaft verlieren. Weil der Klimawandel in den USA immer spürbarer wird, hat sich auch die Haltung der Bevölkerung geändert: 51 Prozent sind gegen Trumps Kündigung des Klima-Abkommens, die ohnehin erst in drei Jahren wirksam wäre, wenn vermutlich ein neuer US-Präsident Trumps Irrwege beendet und das Ruder wieder herumreißt.

Ob die weltweite Durchschnittstemperatur allein durch Trumps Kohle-Lobbying um 0,3 Grad Celsius steigt, wie von Forschern zügig errechnet, ist also mehr als zweifelhaft, weil der US-Präsident kaum gegen den Run der ohnehin laufenden Energiewende in seinem Land einschreiten kann. Sollte Trump rückblickend einmal als „vorübergehende Krankheit“ erscheinen, blieben die Folgen für die Erdatmosphäre also überschaubar. Es fehlen jedoch Millionen und Milliarden der USA für UN-Klimasekretariat und Klimafonds. In letzteren sollen die Industrieländer jährlich 100 Milliarden Dollar einzahlen, was die Dimension verdeutlicht, mit welchen Klimaschäden die Experten in armen und deshalb besonders verwundbaren Ländern, die kaum Treibhausgase freigesetzt haben, rechnen. Und mit welchen Anpassungsmaßnahmen an höhere Meerespegel.

Die Niederlande etwa wären wirtschaftlich in der Lage, ihre Küste mit einem höheren Damm zu sichern, aber Bangladesch, Benin, Tunesien oder Vietnam? Nach einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung leben in den Küstengebieten, die weniger als einen Meter über dem Meeresspiegel liegen, bereits heute mehr als 200 Millionen Menschen. Ausdrücklich gestattet der Pariser Klimaschutz-Vertrag, Zahlungen in den Fonds mit der Errichtung von Dämmen oder fortschrittlicher Energietechnik in Entwicklungsländern zu verrechnen.

Mit diese Milliarden begleichen die Industrieländer ihre „Klimaschuld“. Es sind nicht die Treibhausgase der Gegenwart, die die globale Erwärmung antreiben, sondern vor allem die Sünden der Vergangenheit – die Erblasten der frühen Industrialisierung der USA und Europas auf fossiler Basis. Weit weg von den Verursachern vernichten die einst emittierten Treibhausgasschwaden via Klimawandel heute Ernten, Äcker und auch Fischgründe – und produzieren Klimaflüchtlinge.

Die weltweite Empörungswelle fällt genau aus diesem Grund so hoch aus: Trump ignoriert nicht nur die Verantwortung seines Landes für die weltweiten Folgen einer energieintensiven Lebensart in der Vergangenheit, sondern flüchtet mit der Kündigung insbesondere vor der Gerechtigkeitsfrage. „Unfair“ sei der Pariser Vertrag, so Trump, weil die Weltgemeinschaft den Chinesen gestatte, ihre Industrialisierung mit fossilen Brennstoffen bis 2030 nachzuholen, während die USA keinen Bonus erhielten.

Für die in Bonn vom 6. bis 13. November stattfindende 23.UN-Klimakonferenz bedeutet die jüngste Entwicklung, dass die übrigen Staaten sich zu noch ehrgeizigeren nationalen Klimazielen durchringen müssen. Jedoch reichte schon das bisher Vorgelegte nicht: Die Summe aller freiwilligen Sparziele ergab eine Temperaturerhöhung zwischen 2,7 und 3,2 Grad Celsius. Ob das Zwei-Grad-Ziel verfehlt wird, entscheidet deshalb kaum Trump allein.

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