Unruhen in der Ost-Ukraine Die EU steht unter Druck

BRÜSSEL/LUXEMBURG · Es ist die alles entscheidende Frage: Wer steckt hinter den Unruhen im Osten der Ukraine? Während sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin offenbar schon festgelegt hat und durch Regierungssprecherin Christiane Wirtz gestern bestätigen ließ: "Vieles deutet darauf hin, dass die bewaffneten Gruppen Unterstützung aus Russland erhalten", waren sich die EU-Außenminister in Luxemburg keineswegs so einig.

Zwar schlug sich Londons Außenamtschef William Hague auf die Seite der deutschen Regierungschefin und sagte: "Es kann keinen Zweifel geben, dass das alles von Russland geplant und ausgeführt wird." Doch hinter verschlossenen Türen gab es auch zurückhaltende Stimmen, die davor warnten, "die Lage durch eine vorschnelle Einschätzung eskalieren zu lassen".

Moskau solle sich "von den bulligen Menschen in Schwarz, die mit Gewehren operieren, distanzieren", forderte Luxemburgs Außenamtschef Jean Asselborn. Nur wenige Tage vor dem ersten Zusammentreffen der Außenminister Russlands, der Ukraine, der Vereinigten Staaten sowie der EU-Chefdiplomatin am Donnerstag wäre ein Beschluss über Wirtschaftssanktionen "nicht zielführend", hieß es. Eine solche Entscheidung könnte im Fall eines Scheiterns allerdings rasch folgen. Im Gespräch ist ein Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in der Woche nach Ostern. Das Treffen werde stattfinden, "wenn das nötig ist", bestätige Frankreichs Außenminister Laurent Fabius.

Die EU steht unter Druck, auch aus Washington. Während die USA inzwischen offen über mögliche Waffenlieferungen zur Unterstützung der Kiewer Übergangsregierung nachdenken, beschränkte sich die EU gestern zunächst darauf, ihre Politik der Nadelstiche auszuweiten. So wurde die Liste der Personen, deren Konten gesperrt werden und die nicht in die Gemeinschaft einreisen dürfen, um fünf auf insgesamt 33 Namen erweitert. Mit dabei ist nun auch der frühere ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch.

Das wichtigste Signal aus Luxemburg aber ist das Finanzpaket in Höhe von rund einer Milliarde Euro, das - zusammen mit bereits beschlossenen 620 Millionen Euro - noch vor dem 25. Mai nach Kiew überwiesen werden soll. An diesem Tag finden in der Ukraine vorgezogene Neuwahlen statt. Die Wirtschaft des Landes dürfte aber vor allem von den Zöllen profitieren, die mit sofortiger Wirkung weitgehend entfallen. Dabei verzichtet Brüssel auf rund 95 Prozent der Abgaben auf Industrieprodukte sowie 82 Prozent der Zölle auf Agrarerzeugnisse.

"Das ist eine großartige Chance für die angeschlagene Wirtschaft, sich auf einem neuen Markt zu etablieren", hieß es in Brüssel, wo EU-Handelskommissar Karel de Gucht den Schritt der Minister lobte: "Diese Entscheidung drückt nicht nur unsere Solidarität mit der Ukraine aus. Die Union macht außerdem ihre Entschlossenheit deutlich, schnelle Schritte zu unternehmen, um die Situation für die östlichen Nachbarn zu verbessern." Bis zum 1. November soll die Zollunion erst einmal bestehen. Bis dahin rechnet man mit dem Zustandekommen einer zusammenfassenden Vereinbarung über eine Freihandelszone, an der auch andere osteuropäische Partner beteiligt werden sollen.

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