Vor dem G20-Gipfel in Hamburg Deutschland und China forcieren Kooperation

BERLIN · Deutschland und China setzen auf den Ausbau ihrer umfassenden strategischen Partnerschaft. Bei Handel, Klima und Technologie ist Peking hellwach, bei Menschenrechten und Spionage einsilbig.

 Kanzlerin Angela Merkel mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping.

Kanzlerin Angela Merkel mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping.

Foto: AP

Der schöne Termin kommt noch. Am Nachmittag geht Angela Merkel mit ihrem Gast aus Peking in den Zoo. Pandabären gucken, zwei Neuankünfte aus China. Xi Jinping freut sich schon: „Ich bin überzeugt, dass diese beiden (Panda-Bären) neue Botschafter unserer Freundschaft werden können.“ Das mit der Freundschaft kann also noch werden.

Aber erst einmal blicken die Bundeskanzlerin und der chinesische Staatspräsident auf die Weltkarte der Krisen und Herausforderungen. Xi hat nicht vergessen: Vor einem Jahr beim bislang letzten G20-Gipfel in Hangzhou unterstützte Merkel die chinesische Agenda. Jetzt wolle China eben die deutsche Agenda beim bevorstehenden G20-Gipfel am Freitag und Samstag in Hamburg positiv nach vorne bringen, signalisiert der Gast aus Peking Unterstützung. Sind da zwei auf dem Weg zu neuen ziemlich besten Freunden? So weit ist es vermutlich noch nicht, doch Merkel muss sich in der Welt nach Verbündeten umsehen, seit die US-Regierung unter Präsident Donald Trump unberechenbarer und auch ein wenig gleichgültiger gegenüber Europa geworden ist.

Merkel wie Xi betonen, dass ihre Regierungen die Beziehungen beider Staaten schon länger auf ein höheres Niveau gehoben hätten. Nach einem ersten diplomatischen Upgrade 2004, als Deutschland und China ihre Beziehungen in „Strategische Partnerschaft in globaler Verantwortung“ umtauften, stuften beide Länder Ende März 2014 das deutsch-chinesische Verhältnis dann zu einer „umfassenden strategischen Partnerschaft“ hoch.

Diese Partnerschaft soll eben über die Politik hinausreichen und hinein in beide Gesellschaften wirken, soweit China diese Öffnung wegen seiner harten Haltung in Menschenrechtsfragen zulässt. Auch jetzt steht die Staatsführung international wieder in der Kritik, weil sie den todkranken Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, der 2009 wegen „Anstiftung zum Umsturz“ zu elf Jahren Gefängnis verurteilt worden war, nicht zur Behandlung ins Ausland lässt.

Immerhin sollen nun Ärzte aus den USA und Deutschland den schwer kranken Dissidenten in China behandeln dürfen. Merkel setzt für bessere Verständigung auf das Gespräch, ohne öffentlich dabei konkret zu werden: „Es gibt den Menschenrechtsdialog, den wir aus meiner Sicht auch intensiv fortsetzen und schauen müssen, dass sich die unterschiedlichen Bereiche der Gesellschaft auch gut artikulieren können.“ Gut artikulieren? Auch so kann man die Forderungen nach Meinungsfreiheit umschreiben.

Doch Merkel wie ihr Gast aus Peking wollen in diesen Tagen erst einmal die weltpolitische Agenda voranbringen. Beim G20-Gipfel in Hamburg geht es um Handel, Afrika, Migration, Terror und Klima. Gerade der von US-Präsident Trump angekündigte Ausstieg aus dem Weltklimaabkommen von Paris stärkt die Rolle von Staaten wie Indien, Russland, Südafrika oder China. Peking hat längst erkannt, dass die Wirtschaft seines Riesenreiches mit mehr als 1,3 Milliarden Menschen dauerhaft nicht an einem Umbau seines Energiesektors vorbeikommt, will sich das Land nicht vollends im Smog seiner Millionenstädte vernebeln.

Und so fordert beispielsweise Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE), Merkel müsse nach der Abkehr der US-Regierung vom Weltklimaabkommen in Hamburg zumindest versuchen, für den Klimaschutz wenigstens eine G16/G17-Allianz zu schaffen. „Alles darunter wäre zu wenig“, so Messner. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hofft, Merkel werde in der Klimafrage zumindest eine „19:1-Allianz zustande bringen“ – mit den USA dann eben auf der Rückbank.

Auch im Kampf gegen Terror und Cyberangriffe wollen Deutschland und China enger zusammenarbeiten. Merkel erklärt, da sei noch Luft nach oben: „Ich glaube, in diesem Bereich gibt es noch eine ganze Reihe von Möglichkeiten der Intensivierung unserer Zusammenarbeit.“ Xi lächelt während Merkels Ausführungen derweil milde weiter. Eine ganze Reihe von Möglichkeiten? Das ist schön gesprochen, schließlich hatte tags zuvor noch Bundesinnenminister Thomas de Maizière vor ungenierter staatlicher Spionage auch aus China gewarnt. Selbst beim G20-Gipfel werde damit gerechnet, dass ausländische Dienste mithörten oder Daten abschöpften.

Bleibt da noch der Freihandel. Merkel stellt erst einmal Investitionsabkommen zwischen der EU und China in Aussicht. Ob mehr daraus wird? Eines Tages, so Merkel, könnte daraus auch ein Freihandelsabkommen mit China werden. Xi würde es freuen.

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