EU-Gericht kippt Sprachtest Deutsch? Nicht nötig

LUXEMBURG · Eine türkische Ehefrau muss nicht Deutsch sprechen können, um zu ihrem Mann in der Bundesrepublik ziehen zu dürfen. Das hat am Donnerstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden und damit für viel Gesprächsstoff gesorgt.

Doch das Urteil gegen die von vielen Betroffenen als ärgerlich empfundene Sprachprüfung ist kein Beitrag zu einer erleichterten Einreise von Ehepartnern, sondern für die Niederlassungsfreiheit ihrer Ehemänner.

In den 70er Jahren hatten die damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mit der Türkei ein Assoziierungsabkommen unterzeichnet. Wenig später wurde eine sogenannte Stillhalte-Vereinbarung ergänzt, in der die Vertragsparteien versprachen, keine weiteren Hindernisse zur Niederlassungsfreiheit zu errichten. Die Bundesrepublik Deutschland habe dies aber 2007 mit der Einführung des Sprachtestes getan, urteilten die Luxemburger Richter jetzt.

Auch wenn man vor allem Schein- und Zwangsehen verhindern wollte, schieße diese Regelung über das Ziel hinaus. Denn ein nicht bestandener Sprachtest berücksichtige nicht den konkreten Einzelfall, betonte der Gerichtshof in Luxemburg. Wie zum Beispiel den der Klägerin, einer Frau, die zu ihrem Mann, der seit 1998 in Deutschland lebt und hier eine GmbH als Mehrheitsgesellschafter leitet, umziehen möchte.

Sie ist Analphabetin und konnte den Test also gar nicht erfolgreich absolvieren. Dadurch werde allerdings ihr Mann daran gehindert, in der Bundesrepublik ein geordnetes Familienleben zu führen und seinem Beruf nachzugehen. Entsprechend der EU-Verträge mit Ankara sei das also ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit.

Grundsätzlich bestreiten die Richter nicht, dass das Beherrschen der deutschen Sprache für die Integration in das Gastland notwendig ist. Allerdings ließen sie durchaus Zweifel an der Eignung dieser Sprachprüfung anklingen. Zwar umfasst der Test lediglich einige wenige Grundkenntnisse der deutschen Sprache.

So muss der nachzugswillige Ehegatte beweisen, dass er seinen Namen und seine Adresse in Behörden-Formulare richtig eintragen kann. Auch einige weitere alltägliche Wendungen werden abgefragt. Aber die Prüfung wird in vielen Ländern nur vom Goethe-Institut in der dortigen Hauptstadt abgenommen. "Da müssen viele erst einmal eine lange Reise antreten, eine Unterkunft suchen und in einigen Fällen sogar ihre Arbeit aufgeben", berichtet Hiltrud Stöcker-Zafari, Bundesgeschäftsführerin des Verbandes bi-nationaler Familien und Partnerschaften. Bis der Test abgelegt werden könne, vergingen oft Monate.

Das Veto der Luxemburger Richter begründet sich aber vor allem auf der pauschalen Wirkung, die das Zertifikat auf die Zuwanderungs-Formalitäten hat. Es sei nicht hinnehmbar, heißt es in dem EuGH-Spruch, dass die diplomatischen Vertretungen ohne genaue Sichtung des Einzelfalls allein vom Vorlegen der Test-Bescheinigung ein Ausstellen der Einreise-Erlaubnis abhängig machen. Das Urteil gilt ausschließlich für türkische Staatsangehörige, da vergleichbare Stillhalte-Vereinbarungen mit keinem anderen Drittstaat abgeschlossen wurden.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz (SPD) sprach von einer "guten Nachricht für bi-nationale Ehen beziehungsweise für Familien mit ausländischen Wurzeln". (Aktenzeichen C-138/13)

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