Streit mit der EU Der türkische Präsident Erdogan will Vetorecht

Istanbul · Eigentlich will Recep Tayyip Erdogan den Streit mit der EU beilegen. Doch mit Angela Merkel hat er weiter Probleme. Nicht jeder deutsche Abgeordnete soll die Luftwaffenbasis Incirlik besuchen dürfen.

 Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Foto: AP

Recep Tayyip Erdogan will den Streit mit der EU begraben und ein neues Kapitel in den Beziehungen zu Westeuropa aufschlagen. Der Streit der vergangenen Monate solle zugunsten einer „neuen Phase“ vergessen werden, sagte der türkische Präsident nach seinen Gesprächen in Brüssel am Rande des Nato-Gipfels. Von einem „neuen Schwung“ schwärmte der Mann, der die EU vor Kurzem noch als Club anti-islamischer Kreuzzügler verdammt hatte. Nur mit Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Erdogan nach wie vor große Schwierigkeiten. In der Diskussion um Besuche deutscher Politiker auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik beansprucht Erdogan ein Vetorecht: Er will nicht jeden deutschen Bundestagsabgeordneten auf der Luftwaffenbasis Incirlik sehen.

Es gebe womöglich einige Politiker in Berlin, die Terrorgruppen unterstützten, sagte Erdogan vor türkischen Journalisten auf der Rückreise von Brüssel in die Türkei. Deshalb habe er Merkel am Rande des Nato-Gipfels darüber informiert, dass die Namen von Incirlik-Besuchern erst ans türkische Innenministerium gehen sollten, bevor grünes Licht für eine Visite gegeben werde. Damit geht der Streit in eine neue Runde. Laut dem „Spiegel“ will die Bundesregierung in den kommenden zwei Wochen mit der türkischen Führung über das Problem reden. Wird dabei keine Lösung gefunden, soll über den Abzug der 250 deutschen Soldaten und Kampfflugzeuge entschieden werden. Die am internationalen Einsatz gegen den Islamischen Staat (IS) beteiligten Truppen könnten in diesem Fall nach Jordanien verlegt werden.

Anders als im Fall Incirlik zeigt sich die Türkei bei Besuchen deutscher Politiker bei Nato-Soldaten der Bundeswehr in Konya offenbar kompromissbereit. In den kommenden Tagen soll laut Presseberichten über einen Besuch von Mitgliedern des Bundestags in Konya entschieden werden; als Termin ist Mitte Juni im Gespräch.

Erdogan wirft Deutschland vor, mit der Annahme von Asylanträgen türkischer Regierungsgegner in der Bundesrepublik gegen Ankara zu agitieren. Laut türkischen Medienberichten haben mindestens 40 türkische Nato-Offiziere, die nach dem Putschversuch des vergangenen Jahres aus der Armee entlassen wurden, um Schutz in Deutschland gebeten. Die Türkei betrachtet die Soldaten als Anhänger des Erdogan-Erzfeindes Fethullah Gülen und will sie vor Gericht stellen.

Auch die Inhaftierung von Journalisten in der Türkei sorgt weiter für Spannungen. Merkel habe nur noch Deniz Yücel im Kopf, sagte Erdogan über den seit mehr als drei Monaten einsitzenden Korrespondenten der „Welt“. Bisher hatte der türkische Präsident eine Freilassung des Reporters ausgeschlossen. Auch nach seinem Treffen mit Merkel ist keine Änderung in der Haltung des Staatschefs zu erkennen. In der Diskussion über Yücel habe er die Kanzlerin erneut auf seine Auslieferungsersuchen für mutmaßliche türkische Staatsfeinde in Deutschland angesprochen, sagte Erdogan.

In der Türkei gehen Erdogans Behörden weiter mit Verhaftungen gegen unliebsame Medien vor. Ein Gericht steckte zwei Journalisten der Erdogan-kritischen Zeitung „Sözcü“ in Untersuchungshaft, weil sie am Tag des Putschversuchs einen Bericht über den Urlaubsort des Präsidenten an der Ägäis veröffentlicht hatten. Damit hätten sie sich an Plänen der Putschisten für einen Mordanschlag auf Erdogan beteiligt, entschied ein Richter in Istanbul.

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