Kommentar zum G20-Außenministertreffen in Bonn Der richtige Ort

Meinung | Bonn · Bonn hat sich mit der G20-Außenministerkonferenz als Veranstaltungsort für hochkarätige Politiktreffen bewährt. Gegner und Feinde schaffen es hier, an einem Tisch zu sitzen und über Lösungen zu sprechen.

 Außenminister Sigmar Gabriel und US-Außenminister Rex Tillerson trafen sich in der Villa Hammerschmidt.

Außenminister Sigmar Gabriel und US-Außenminister Rex Tillerson trafen sich in der Villa Hammerschmidt.

Foto: AP

Bonn und die Politik, das ist eine glückliche Verbindung. Das weiß das Land seit den Tagen Adenauers; aber die Beobachtung scheint auch für die Außenminister der G20-Staaten und ihre Gäste im Jahr 2017 zu gelten. Die Welt ist in Unordnung, und es gibt eine Vielzahl ungelöster, teils kriegerischer Krisen und Konflikte. Aber in Bonn schaffen es Gegner und Feinde, an einem Tisch zu sitzen und über Lösungen zu sprechen. Die Stadt bleibt immer gelassen, draußen fließt der Rhein, Demonstranten werden von der Polizei freundlich begleitet, echte Konflikte kommen erst gar nicht auf. Alles bleibt im Lot, rheinisch entspannt. In Bonn kann Politik wesentlich werden und sich um die wahren Probleme kümmern. Das hat der Welt in den vergangenen Tagen gut getan.

Wir müssen reden – dieses Motto hat unausgesprochen die ganze Konferenz bestimmt. Das letzte Treffen dieses Formats liegt schon einige Zeit zurück, die Vereinten Nationen zeigten zuletzt wenig Geschick bei der Lösung von Konflikten. Der Sicherheitsrat blockiert sich immer wieder selbst, sobald die Interessen der Vetomächte berührt sind. Die G20 bietet einen passenden, eher informellen Rahmen, um Positionen auszutauschen. Alle wichtigen Staaten der Erde sind dabei. Das gab dem Treffen in Bonn die Bedeutung. Es ging um Afrika und um die großen Ziele der Welt. Doch neben den Plänen für die Rettung der Erde war Gelegenheit, die aktuellen Krisen in den Blick zu nehmen.

Viele waren gekommen, um mehr über die neuen Linien der US-Außenpolitik zu erfahren. Doch Trumps neuer Außenminister Rex Tillerson hielt sich mit klaren Positionen in der Öffentlichkeit eher zurück. Offenbar will der diplomatisch unerfahrene Mann noch abwarten. Ob er das tut, um nicht von seinem sprunghaften Chef konterkariert zu werden, oder ob das seiner erkennbaren Unsicherheit geschuldet ist, bleibt offen. Amerika hat seine neue Position offenbar noch nicht gefunden. Das ist für alle eine ungewohnte Situation. Das Murren darüber ist unüberhörbar. Selbst aus Moskau gibt es Töne, die einen Mangel an Professionalität beklagen. Was wird eigentlich aus der aktuellen Weltordnung, wenn die Supermacht USA politisch handlungsunfähig wird? Diesen Gedanken mag derzeit noch niemand zu Ende denken. Er liegt jedoch in der Luft. Wenn die USA zu einem dauerhaften Ausfall werden sollten, dann muss der Begriff internationale Verantwortung komplett neu definiert werden. Das gilt für Russland wie für Deutschland, das in Zukunft vielleicht eine ganz andere Rolle spielen muss, ob es will oder nicht.

Die Unklarheit rund um die Vereinigten Staaten prägten viele Debatten. Selten war so viel von Interessen die Rede, die man definieren, abgleichen und in Übereinstimmung bringen wolle. Spürbar war immer, dass die eigenen Positionen klar sind, die der USA aber nicht erkennbar. Interessen sind die notwendige Basis jeder Verständigung. Sehr viel weiter denkt im Moment offenbar niemand, selbst die Bündnispartner der USA nicht.

Wie hilfreich eine Tagung wie die der G20 sein kann, zeigt sich am Beispiel des Syrienkonflikts, der am Rande des Programms eine wichtige Rolle spielte. Die Situation ist verfahren, die Friedensverhandlungen stocken, die Vereinten Nationen haben die Sache nicht im Griff. Russland, der Iran und die Türkei zogen Parallelgespräche in Kasachstan auf. Offenbar ist es in Bonn gelungen, sich mindestens über das weitere Vorgehen auszutauschen und ein paar Gedanken zu platzieren, wie es weitergehen kann. Fortschritte gibt es nur in ganz kleinen Schritten, aber es gibt sie.

Alle Blicke ruhten auf Tillerson, dabei war mit Sigmar Gabriel ein weiterer außenpolitischer Neuling am Werk. Er ist ein Politikprofi, der seine Grenzen kennt. Er hat seine Sache als Gastgeber gut gemacht. Gestützt auf ein funktionierendes Ministerium und erfahrene Mitarbeiter hat er die Gespräche geleitet und Deutschlands Bereitschaft verdeutlicht, mehr Verantwortung für eine friedliche und gerechtere Zukunft zu übernehmen.

Bonn war als Tagungsort mit Bedacht ausgewählt. Hier gibt es den UN-Standort, der sich um Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung kümmert. Hier ist das Zentrum deutscher Entwicklungspolitik. Genau in diesen Punkten liegt die politische Zukunft der Stadt, die immer noch unter ihrem Bedeutungsverlust leidet. Sie sollte aufhören zu klagen, denn es gibt große neue Möglichkeiten und es gibt die Chance, an die gute Tradition der Stadt anzuknüpfen.

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