Günther Oettinger im Porträt Der nächste Schritt in Oettingers europäischer Karriere

Brüssel · Erst war er für die Energiezukunft Europas zuständig, dann für den digitalen Markt von morgen – nun rückt der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger auf eine Schlüsselstelle im Kommissionsteam von Jean-Claude Juncker auf.

 Günther Oettinger.

Günther Oettinger.

Foto: dpa

Ab dem 1. Januar 2017 soll der frühere CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg den Haushalt der Union verwalten und gestalten. Eine Mammutaufgabe, denn in sein Ressort fällt die finanzielle Bewältigung des Brexits. Schon Ende September übernahm der Schwabe das Ressort von seiner bulgarischen Kollegin Kristalina Georgiewa (60), die sich in New York als neue UN-Generalsekretärin beworben hatte. Doch sie wurde nicht berücksichtigt, nahm aber jetzt den Ruf an die Spitze der Weltbank an.

Für Georgiewa, die in der früheren Kommission unter José Manuel Barroso für humanitäre Angelegenheiten und Hilfsmaßnahmen der EU zuständig war, ist es eine Rückkehr. Sie war schon von 1993 bis 2010 für die Weltbank tätig. Juncker, der die Bulgarin als „exzellente Vizepräsidentin“ bezeichnete, schwieg sich allerdings zunächst darüber aus, ob Oettinger auch zu einem seiner sieben Stellvertreter aufrücken soll. Junckers Formulierung, der CDU-Politiker sei „nach den amtierenden Vizepräsidenten aufgrund seiner Erfahrung und protokollarisch der erste Kommissar“, lässt nicht darauf schließen.

Eigentlich schätzen sich der Kommissionspräsident und der Schwabe. Beide gelten als „Aktenfresser“ und „detailverliebte Politiker“, die sich in Dossiers erst einarbeiten, ehe sie sich öffentlich dazu äußern. Wohl auch deshalb ließ Juncker seinem Digital-Kommissar größere Freiheiten, sich abseits seines Ressorts zu allen Fragen zu äußern.

Oettinger erweckte dennoch selten den Eindruck, dass er sich in der Welt der Bits und Bytes wohlfühle. Gleich mehrfach verwechselte er bei wichtigen Reden die beiden Begriffe. Die vor wenigen Wochen von ihm vorgelegte Reform des digitalen Urheberrechtes wurde von vielen Seiten heftig attackiert, weil er sie sehr stark auf die Zeitungsverleger zugeschnitten hatte. In der Debatte um Roamingzuschläge für das Telefonieren in der EU-Nachbarschaft musste er gar erleben, dass Kommissionschef Juncker ihn öffentlich brüskierte: Oettinger hatte einen Wegfall der Auslandszuschläge für 90 Tage im Jahr vorgeschlagen, sein Chef kassierte 48 Stunden später den Vorschlag, weil er „nicht gut genug“ sei, wie ein Sprecher betonte.

Wie es in der Kommission weitergeht, ist derzeit offen. Fest steht, dass die bulgarische Regierung einen neuen Kommissionkandidaten benennen darf, der dann vom Europäischen Parlament befragt wird. Ob der aber das frei gewordene Digital-Ressort übernimmt, muss Juncker entscheiden. Er könnte auch eine größere Reform in seinem Team vornehmen, die von vielen sogar erhofft wird. Denn hinter den Kulissen gärt es. Georgiewas Abschied sei nicht nur das Ergebnis eines „guten Angebots“, wurde am Freitagabend in Brüssel kolportiert. Die Bulgarin habe sich auch zunehmend über die Arbeitsweise der Kommission geärgert – insbesondere über das Vorgehen in der Flüchtlingskrise und mit Großbritannien. Von einer wachsenden Kluft und Auseinandersetzungen mit Junckers Kabinettschef Martin Selmayr ist die Rede.

Auf Oettinger kommen nun zentrale Aufgaben zu. Auf dem Tisch liegen bereits Vorschläge für den Haushalt 2017, den die Mitgliedstaaten um rund sieben Prozent gegenüber dem laufenden Jahr (143 Milliarden Euro) kürzen wollen.

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