Frank-Walter Steinmeier Der frühere Kanzleramtsminister gerät im Fall NSA unter erheblichen Druck

BERLIN · Frank-Walter Steinmeiers Gesicht läuft rot an. Der eher bedächtige Formulierer, der schon mal 30 Sekunden zwischen Frage und seiner Antwort verstreichen lässt, soll auf einen wichtigen Vorhalt der schwarz-gelben Bundesregierung reagieren.

 Empört: Frank-Walter Steinmeier nennt die Attacken der Regierungskoalition "jämmerliche Ablenkungsmanöver".

Empört: Frank-Walter Steinmeier nennt die Attacken der Regierungskoalition "jämmerliche Ablenkungsmanöver".

Foto: dpa

Demzufolge habe er als rot-grüner Kanzleramtsminister im April 2002 die Grundsatzentscheidung für die Kooperation getroffen, die den umstrittenen Datenaustausch zwischen dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem US-Geheimdienst NSA ermöglicht hat. Es seien "jämmerliche" Ablenkungsmanöver der Regierungsparteien, die sich aus der Verantwortung für die Praxis des massenhaften Datenmissbrauchs "stehlen" wollen. So bricht es aus ihm förmlich heraus. Man merkt: Dieser Mann ist empört.

Der frühere Bundesaußenminister, der eine SPD-Kanzlerkandidatur für den Wahlgang 2013 abgelehnt hatte, sieht aber nicht nur seine Person am Pranger. Er weiß ganz genau, dass sich die Unionsparteien die Dauer-Angriffe der Opposition wegen der angeblichen massiven Ausspähung deutscher Bürger und EU-Institutionen durch die USA nicht länger bieten lassen konnten.

Dies unabhängig von der Tatsachen, dass sich laut Umfragen die übergroße Mehrheit der Deutschen von dem Skandal unangenehm berührt fühlt, sich aber an den Rekord-Umfragewerten der CDU nichts geändert hat. Der amtierende Regierungssprecher Georg Streiter brachte die Kritik an Steinmeier am Mittwoch an das Licht der politischen Öffentlichkeit.

Rückblende: Frühjahr 2002. Die Wunden der vernichtenden Terroranschläge vom 11. September 2001, bei dem über 3000 US-Bürger ums Leben kamen, sind noch lange nicht vernarbt. Die Bundesrepublik hatte sich auf eine "uneingeschränkte Solidarität" mit Washington festgelegt - eine Aussage, die in der Folgezeit mit dem Zusatz versehen wurde, man unterstütze aber "keine Abenteuer", so Kanzler Gerhard Schröder (SPD).

Die Öffentlichkeit lebte in steter Furcht vor neuen Anschlägen. In der Frage der Inneren Sicherheit gab es einen belastbaren Konsens der Demokraten. Steinmeier erinnert sich: "Was an Zusammenarbeit zur Aufklärung eines grauenhaften Verbrechens notwendig war, hat nichts zu tun mit der lückenlosen und flächendeckenden Abschöpfung der Bürger-Daten."

In einem gemeinsamen Papier hatten sich die deutsche und die amerikanische Seite über die Umgehensweise mit den Daten verständigt, die am bisherigen NSA-Standort im bayerischen Bad Aibling anfielen. Solche Übereinkommen gab es regelmäßig seit den 50er-Jahren.

Am kommenden Montag will nun der amtierende Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) für weitere Klärung sorgen, wenn er zum zweiten Mal binnen 14 Tagen vor dem Parlamentarischen Kontrollausschuss auftritt und verbleibende Fragen klären will. Einen Auftritt von Steinmeier vor diesem Gremium will die FDP durchsetzen. Problem: Eigentlich soll dieses Gremium streng geheim tagen; zur vollständigen öffentlichen Klärung des Sachverhalts darf es eigentlich nicht beitragen.

Auffallend ist die Wucht der Kritik, die jetzt über Steinmeier hereinbricht. In den Augen von FDP-Parteichef Philipp Rösler habe sich die SPD als "unglaubwürdig entlarvt". Seine liberale Partei zählt zu den massiven Kritikern des Datenumgangs und seines möglichen Missbrauchs durch US-Ämter. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sprach von "purer Heuchelei" bei der SPD.

Am weitesten geht aber die Linkspartei: Ihre Vorsitzende Katja Kipping nannte Steinmeier "den größten Heuchler in der Spionageaffäre". Während der Ex-Außenminister "täglich ein Empörungstheater aufführt", komme heraus, dass Rot-Grün "alle Türen aufgemacht" hat, durch die die NSA ... die Daten aus Deutschland absaugen" konnte. Sie fordert einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, bei dem auch die "Schlapphut-Paten der SPD aussagen müssen".

Kanzlerkandidat Peer Steinbrück stellt sich vor Steinmeier. Er erinnerte daran, dass es möglicherweise nicht nur um fehlenden Datenschutz, sondern auch um die Dimension Wirtschaftsspionage gehen könnte. In jedem Fall hat der Bundestags-Wahlkampf für den 22. September ein Aufreger-Thema gefunden.

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