Kölner Mediziner Christian Reinhardt "Der eigene Stoffwechsel ist krebserregend"

Mit Professor Christian Reinhardt sprach Moritz Rosenkranz.

 Christian Reinhardt (38) hat in Hamburg, Berlin und Freiburg Humanmedizin studiert. Nach dem Studium verbrachte er sechs Jahre zu Forschungszwecken in Boston. Seine Dissertation wurde mit summa cum laude bewertet. 2012 bekam er die Professur an der Uni Köln. Er leitet eine Forschergruppe und wird auch mit Mitteln der Krebshilfe unterstützt.

Christian Reinhardt (38) hat in Hamburg, Berlin und Freiburg Humanmedizin studiert. Nach dem Studium verbrachte er sechs Jahre zu Forschungszwecken in Boston. Seine Dissertation wurde mit summa cum laude bewertet. 2012 bekam er die Professur an der Uni Köln. Er leitet eine Forschergruppe und wird auch mit Mitteln der Krebshilfe unterstützt.

Foto: Medizinfoto Köln

Wo steht die Krebsforschung heute?
Christian Reinhardt: Ich bin seit zehn Jahren dabei und bin extrem euphorisiert, weil ich merke, dass sich irrsinnig viel getan hat, vor allem was das biologische Verständnis und die Therapierbarkeit der Erkrankung angeht. Ich bin davon überzeugt, dass wir in den nächsten zehn Jahren nochmal einen Sprung machen werden.

Was hat sich so stark verändert?
Reinhardt: Es gibt nach wie vor Tumoren, die man in frühen Stadien operativ entfernt und dann oft seine Ruhe hat. Aber gerade in den fortgeschrittenen Stadien hat sich therapeutisch extrem viel getan. Früher wurden unsere Patienten mit relativ kruden Chemotherapie-Regimen behandelt, oft mit massiven Nebenwirkungen. Durch die Entwicklung neuer diagnostischer Technologien, insbesondere der Möglichkeit, heute relativ günstig ganze Genome von Tumorzellen innerhalb weniger Tage komplett zu entschlüsseln, haben wir bisher ungeahnte neue Therapiestrategien entwickeln können. Es sind Mutationen in der DNA, die zum Tumorwachstum führen. Aber diese Mutationen verändern die Krebszellen natürlich auch und schaffen molekulare Abhängigkeiten, die es so in gesunden Zellen nicht gibt. Diese molekularen Abhängigkeiten sind die Zielstrukturen unserer neuen Medikamente. Kurzum, es ist das Ziel für jeden Patienten eine Tumorgenotyp-basierte, maßgeschneiderte Therapie bereitzustellen. Und dieses Ziel rückt jeden Tag näher und treibt mich und meine Kollegen an, weiter zu forschen.

Das heißt aber auch, dass sich das Anforderungsspektrum an die Ärzte geändert hat, oder?
Reinhardt: Ja, deswegen ist es auch so wichtig, dass es die Krebshilfe gibt. Der moderne Onkologe muss ein fundiertes Wissen über biologische Prozesse und molekularbiologisches Verständnis haben, um Tumore zu charakterisieren. Dafür schafft die Krebshilfe Infrastruktur, damit die Kollegen diese Ausbildung auch erhalten.

Was halten Sie von alternativen Behandlungen, etwa mit Homöopathie?
Reinhardt: Ich halte davon nichts. Mir ist es aber ein Anliegen zu sagen, dass die Behandlung unserer Patienten von interdisziplinären Strukturen stark profitiert. Zum Beispiel spielt die Psychologie eine sehr große Rolle. Patienten mit einer Krebsdiagnose reagieren oft viel niedergeschlagener und emotionaler auf die Mitteilung ihrer Diagnose. Und solche Patienten müssen wir mitnehmen. Hier spielt auch eine gute und intensive psychoonkologische Betreuung eine ganz, ganz wichtige Rolle.

Es entsteht der Eindruck, dass mittlerweile fast alles als krebserregend gilt. Ist das Leben an sich krebserregend?
Reinhardt: Sobald wir das Licht der Welt erblicken, sind wir krebsauslösenden Substanzen ausgesetzt, die einfach in der Umwelt sind, etwa UV-Strahlen. Es wirken dauernd Einflüsse, die die DNA schädigen und so zu Mutationen und Tumoren führen.

Das heißt, ich kann mich gar nicht so verhalten, dass Krebs ausgeschlossen ist?
Reinhardt: Nun ja, der eigene Stoffwechsel ist krebserregend, weil er Produkte produziert, die Mutationen erzeugen. Aber selbstverständlich gibt es schädigende Einflüsse, denen man bewusst aus dem Weg gehen kann. Bestimmten Virusinfektionen, die Tumore auslösen können, kann mittlerweile mit Impfungen entgegengetreten werden. Zudem sei nur auf den übermäßigen Konsum von Alkohol, gegrilltem Fleisch oder auch von Zigaretten hingewiesen.

Viele wollen oder können darauf aber nicht verzichten. Was sagen Sie denen?
Reinhardt: Was will man machen, das ist nun mal so. Ich kann jemandem massiv Lebensqualität nehmen und ihm sagen, er soll kein gegrilltes Steak mehr essen und ein Bier dazu trinken. So kitzel ich vielleicht zehn Jahre mehr heraus, habe aber einen Patienten, der 50 Jahre lang ein miserables Leben hatte. Das ist immer auch eine Abwägungsfrage.

Wie wichtig ist Vorsorge und ab wann sollte ich damit anfangen?
Reinhardt: Wenn alle regelmäßig zu ihren Untersuchungen gingen, würden die Fallzahlen sicherlich dramatisch sinken. Das würden wir therapeutisch vermutlich so nie schaffen. Der Zeitpunkt anzufangen ist schwer zu bestimmen und individuell festzulegen. Falls Krebs in der Familienhistorie vorkommt, sollte man nicht erst mit 40 anfangen. Ansonsten ist das aber ein guter Zeitpunkt.

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