Abdullah Gül im Portrait Der Zorn der Ehefrau

Istanbul · Erdogan verhinderte Gül als nächsten Regierungschef. Nun könnte der ein mächtiger Gegenspieler werden. Schon in den vergangenen Monaten hatte sich Gül gegen Erdogan gestellt, etwa indem er demonstrativ das von Erdogan verfügte Twitter-Verbot umging.

 Abdullah Gül war zuletzt Präsident der Türkei.

Abdullah Gül war zuletzt Präsident der Türkei.

Foto: dpa

Hayrünnisa Gül ist es gewohnt, sich im Hintergrund zu halten. Sieben Jahre lang setzte sie als Gattin des türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül vorwiegend ohne Worte deutliche Zeichen: als erste türkische First Lady, die das islamische Kopftuch trägt.

Doch am Dienstagabend gab Frau Gül ihre Zurückhaltung auf. Beim Abschiedsempfang des Präsidenten in Ankara platzte es aus ihr heraus. Ihr Mann sei zu gut erzogen, um viel zu sagen über all das, was ihm angetan werde, schimpfte sie. "Aber ich weiß alles."

Der Zorn von Hayrünnisa Gül richtete sich nicht etwa gegen die Kritiker des Kopftuches, sondern gegen Anhänger der von ihrem Mann mitgegründeten AKP und wohl auch gegen Erdogan selbst. Was sie derzeit erlebe, sei schlimmer als die Zeiten, als sie wegen ihres Kopftuches attackiert wurde, sagte sie. Lange werde sie nicht mehr schweigen: "Ich werde die Intifada anzetteln."

Erdogan und seine Gefolgsleute hatten in den vergangenen Wochen erfolgreich verhindert, dass Abdullah Gül nach dem Ende seiner Amtszeit als Präsident rasch in hohe Partei- und Regierungsämter zurückkehren kann.

Beim Empfang weigerte sich Hayrünnisa Gül, dem als besonders Erdogan-treu bekannten Journalisten Abdülkadir Selvi die Hand zu geben. "Auf Sie bin ich sehr wütend", zischte sie ihn an. Selvi hatte geschrieben, Gül habe sich bei der AKP wieder als einfaches Parteimitglied einzureihen.

Auch Präsident Gül selbst beklagte sich über "Respektlosigkeiten" aus den eigenen Reihen, unter denen er zu leiden gehabt habe. Erdogan will seinen treuen Berater Davutoglu als Partei- und Regierungschef, weil der neue Präsident selbst die Fäden in der Hand halten will. Erdogan will als Staatsschef das Land regieren und braucht einen Erfüllungsgehilfen als Ministerpräsident, keinen Vollblutpolitiker mit eigener Machtbasis wie Gül.

Der Auftritt der Güls beim Abschiedsempfang offenbarte die tiefen Zerwürfnisse im Lager der AKP. Gül, ein ehemals enger Weggefährte Erdogans, betonte demonstrativ seine Unterstützung für das parlamentarische System - und nahm damit gegen Erdogans Präsidial-Pläne Stellung.

Auch bei den Gezi-Protesten zeigten sich deutliche Unterschiede: Während Erdogan die Demonstranten als Plünderer beschimpfte, sagte Gül, er sei stolz darauf, dass es in seinem Land demokratische Proteste gebe.

In der Oppositionspresse werden Gül bereits Pläne zur Gründung einer eigenen Partei nachgesagt. Eine neue rechtskonservative, aber reformorientierte Partei unter dem frommen Muslim und überzeugten EU-Anhänger Gül hätte möglicherweise das Potenzial, Erdogans AKP zu schaden.

Ob Gül wirklich so weit gehen will, ist offen. Klar ist: Gül will sich nicht aufs Altenteil zurückziehen. In den kommenden Monaten könnte er zu einem wichtigen Gegenspieler Erdogans werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Falsche Zeichen
Kommentar zum Treffen von Steinmeier mit Erdogan Falsche Zeichen
Aus dem Ressort