Interview mit Ban Ki Moon "Der Standort Bonn ist eine Erfolgsgeschichte"

BONN · Die Vereinten Nationen wollen nach Fertigstellung des WCCB ihre Konferenztätigkeit in Bonn ausbauen. "Die ganze UN-Familie weltweit blickt diesem Tag entgegen", sagt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der am Freitag Bonn besucht.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung des UN-Standortes Bonn?
Ban Ki Moon: Die Entwicklung des UN-Standorts Bonn ist eine Erfolgsgeschichte, die ich als Generalsekretär natürlich sehr aufmerksam verfolge. Die UN-Präsenz in Bonn ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen, und die Stadt ist zu einem Zentrum für nachhaltige Entwicklung geworden. Uns hilft hier die Nähe zu vielen Nichtregierungsorganisationen und anderen wichtigen Partnern, und wir profitieren auch von den kurzen Wegen.

Werden die UN die Anzahl der Konferenzen in Bonn erhöhen, wenn das World Conference Center (WCCB) fertiggestellt ist?
Ban: Mit Freude haben wir vernommen, dass das World Conference Center 2015 eröffnet werden soll. Die UN-Kollegen in Bonn, aber auch die gesamte UN-Familie weltweit, blicken diesem Tag entgegen. In der Tat haben die Vereinten Nationen die Absicht, die hervorragenden Konferenzmöglichkeiten entsprechend stark zu nutzen. Vor allem das Klimasekretariat in Bonn hat dann vor der eigenen Tür die Möglichkeit, sehr viel mehr wichtige Treffen abzuhalten. Davon wird sicherlich auch die ganze Stadt, inklusive der lokalen Wirtschaft profitieren.

Es gibt Kritik der Bonner Bevölkerung daran, dass sich die Vereinten Nationen zu sehr abschotten, zum Beispiel durch hohe Zäune. Muss das so sein, oder sollten die Vereinten Nationen im Leben der Stadt nicht präsenter sein?
Ban: Sollte es diese Kritik geben, nehmen wir diese natürlich ernst. Sicherheitsmaßnahmen sind für die Vereinten Nationen aber leider unumgänglich. Zu oft sind wir in verschiedenen Teilen der Welt zum Ziel von Anschlägen geworden. Insgesamt aber sind die Sicherheitsvorkehrungen am UN-Standort Bonn nicht höher als in vergleichbaren Einrichtungen der Bundesrepublik selbst.

Ich habe im Übrigen nicht das Gefühl, dass sich die Vereinten Nationen abschotten. Fast täglich haben die Kollegen in Bonn Besuchergruppen auf dem UN-Campus zu Gast. Pro Jahr sind das mehrere Tausend Besucher, darunter vor allem viele junge Menschen. Auch der UN-Tag, der jedes Jahr auf dem Marktplatz gefeiert wird, bietet viele Gelegenheiten zur Begegnung. Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass unsere Mitarbeiter und ihre Familien sehr gerne in Bonn wohnen und aktiv am öffentlichen Leben teilnehmen.

Sind Sie zufrieden im Blick auf die Zusammenarbeit mit der Stadt Bonn und der Bundesrepublik in puncto UN-Standort?
Ban: Deutschland ist ein sehr wichtiger Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen. Die Deutschen spielen eine sehr aktive Rolle in den Diskussionen darüber, wie wir die Strukturen der Vereinten Nationen stärken können. Auch als drittgrößter Beitragszahler ist Deutschland ein zentraler UN-Partner. Was die UN-Friedenssicherung betrifft, so wird von deutscher Seite sehr viel geleistet - finanziell wie personell. Martin Kobler, ein Deutscher, leitet die momentan größte Friedensmission der UN in der Demokratischen Republik Kongo. In der aktuellen weltpolitischen Lage und angesichts des hohen Bedarfs an Friedensmissionen ist der deutsche Beitrag von großer Bedeutung. Und ich hoffe, dass die Bundesregierung darüber nachdenkt, ihr Engagement noch auszuweiten.

Blicken wir auf Bonn, dann sehen wir, wie sehr sich diese Stadt mit den Aufgaben der UN vor Ort identifiziert. Die Stadt spielt eine besonders positive Rolle in allen Fragen der Nachhaltigkeit, wie etwa dem Kampf gegen den Klimawandel. Insgesamt ist also die Zusammenarbeit mit Deutschland hervorragend, auch was unseren Standort in Bonn betrifft.

Der Bürgerkrieg in Syrien gilt als derzeit größte humanitäre Katastrophe. Empfinden Sie manchmal Hilflosigkeit, wenn Sie trotz aller Appelle das Leid der Menschen sehen?
Ban: Alle Beteiligten müssen jede Gelegenheit ergreifen, die Gewalt in Syrien zu beenden. Die humanitäre Situation im Land bleibt extrem ernst. Rund 6,5 Millionen Menschen sind Binnenflüchtlinge - die Hälfte von ihnen sind Kinder. 2,3 Millionen Menschen sind in Nachbarstaaten geflohen. 9,3 Millionen Menschen brauchen dringend humanitäre Hilfe. Auf der Geberkonferenz in Kuwait sind mehr als 2,4 Milliarden US-Dollar zugesagt worden. Mit diesem Geld können die Helfer die dringendsten Projekte finanzieren, aber das reicht bei weitem nicht aus. Es gibt immer Bereiche, in denen das Geld fehlt, trotz unserer Arbeit, die viele Leben rettet. Trotz großer Gefahren für unsere Mitarbeiter sind die Vereinten Nationen und ihre Partner entschlossen, in Syrien zu bleiben. Unsere Arbeit vor Ort muss weiter unterstützt werden.

Zur Person

Ban Ki Moon ist seit 2007 Generalsekretär der Vereinten Nationen. Der südkoreanische Karrierediplomat und Politiker wurde 1944 geboren. Von 2004 bis 2006 war er Außenminister seines Landes. Am 1. Januar 2007 löste er Kofi Annan als UN-Generalsekretär ab. 2011 wurde Ban von der UN-Vollversammlung erneut in das Amt des Generalsekretärs gewählt. Seine zweite Amtszeit läuft bis Ende 2016.

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