Der Lehr-Auftrag - Gernot Lehr aus Bonn vertritt Christian Wulff

BONN · Dass am Mittwoch ein gewöhnlicher Tag gewesen wäre, würde Gernot Lehr nicht behaupten. Der 54-jährige Anwalt von Bundespräsident Christian Wulff wusste schon früh morgens, dass der Tag wenn nicht Ärger, so doch jede Menge neuer Arbeit bringen würde.

 Der Mandant: Christian Wulff bei der Übergabe der Wohlfahrtsbriefmarken 2012 im Schloss Bellevue.

Der Mandant: Christian Wulff bei der Übergabe der Wohlfahrtsbriefmarken 2012 im Schloss Bellevue.

Foto: dapd

Der Grund: Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, beklagte sich öffentlich und bitterlich darüber, dass der Bundespräsident nicht, wie seinem ZDF/ARD-Interview zu entnehmen war, alle bis dato 400 Fragen und Antworten zu seinem Fall veröffentlicht hat.

Altmaier: "Ich hielte es für unglücklich, wenn der Eindruck entstünde, dass die Anwälte des Bundespräsidenten jetzt hinter dem zurückbleiben, was er selbst in einem Fernsehinterview angekündigt hat." Und dann twitterte Altmaier auch noch: "Wünsche mir, dass Christian seine Anwälte an die Leine legt und die Fragen/Antworten ins Netz stellt."

Nun ist es in Juristenkreisen ohnehin klar, dass Anwälte immer an der Leine ihrer Mandanten liegen, schließlich sind sie ja ihre Auftragnehmer. Weniger klar war gestern zunächst, ob Altmaier auf eigene Rechnung twitterte oder in wessen Namen. Es dauerte Stunden, bis klar war: Die Kanzlerin steht öffentlich weiter zu "ihrem" Bundespräsidenten, auch wenn sie ihn eindeutig aufforderte, auch zu neuen Fragen Stellung zu nehmen.

Lehr gilt als einer der besten Medienanwälte

Gernot Lehr jedenfalls - einer der bekanntesten Anwälte in der 90-Mann-Kanzlei Redeker Sellner und Dahs, die ihren Sitz an der Mozartstraße in Bonn und an vier weiteren Standorten in der Republik hat - kam gestern Abend mit einer weiteren Klarstellung: Das Recht der anfragenden Journalisten "am eigenen Wort und an dem Schutz ihrer Rechercheergebnisse" würde verletzt, wenn man die Wortlaute 1:1 ins Netz stellen würde. Ende der Durchsage.

Aber kein Ende des Arbeitstages. Das geht so seit dem 16. Dezember, dem Tag, an dem Christian Wulff Lehr mit der Vertretung seiner Interessen beauftragte.

"12 Stunden sind kein Tag" heißt Boris Fusts Praktikantenroman aus dem Jahr 2008. Es könnte auch ein Rechtsanwaltsroman sein. Denn seit jenem Tag vor Weihnachten - die Feiertage ausgenommen - arbeitet Lehr durch, im Auftrag seines derzeit prominentesten Mandanten.

Dass Wulff auf Lehr verfallen ist, ist natürlich kein Zufall, gilt der in Bonn Geborene doch als einer der besten deutschen Medienanwälte und hat zudem durch seine Mutter zwangsläufig enge Verbindungen in die Politik. Schließlich war Ursula Lehr unter Helmut Kohl Familienministerin. Lehrs Vater war nach Bonn gekommen, weil er Assistent des ersten CDU-Generalsekretärs wurde.

Prominente geben sich in der Prominentenkanzlei die Klinke in die Hand

Geboren wurde der kleine Gernot im Elisabeth-Krankenhaus, getauft in der Elisabethkirche. Man wohnte in der Reuterstraße, später in Roisdorf, noch später in Röttgen. Gernot Lehr ging aufs Tannenbusch-Gymnasium, war dort Schülersprecher, machte die Schülerzeitung mit.

Das Jura- und Volkswirtschaftsstudium führte ihn von Bonn nach München und wieder nach Bonn zurück. Das fällige Referendariat bescherte ihm Stagen auch im Justiziariat des WDR, bei den Parlamentarischen Diensten des Bundestags und - in der Kanzlei Redeker. Der ist er seit 1987 treu geblieben. Nicht zu seinem Schaden. Er hat das Hamburger Büro der Kanzlei mit aufgebaut, dabei natürlich zwangsläufig viel mit Medien - Stichworte Springer und Spiegel - zu tun gehabt.

Die Prominenten geben sich in der Prominentenkanzlei die Klinke in die Hand. Helmut Kohl war da wg Spendenaffäre. Rita Süssmuth, die Bundestagspräsidentin, ebenso, wegen einer Flugaffäre. Und der Bundespräsident Johannes Rau - ebenfalls wegen einer Flugaffäre. Lehrs bisher intensivster Fall. Bisher. Bis Wulff kam.

500 Anfragen haben ihn und die Kanzlei nun schon in Sachen Kredit- und Medienaffäre erreicht. Alle will Lehr beantworten. Auch wenn er die eine oder andere für "Quatsch" hält. Bemerkenswert aber, dass er in diesen Tagen nicht in die übliche Journalistenschelte verfällt, vielmehr den Medien bescheinigt, "in der Regel" "sehr fair" zu arbeiten.

Eines seiner zwei Hobbys liegt derweil brach: der Marathonlauf und das Training dafür. Das andere: Lehr hat den Karneval in der Kanzlei wieder eingeführt. Jedes Jahr an Weiberfastnacht. Er gibt dann zuweilen und nur dann den Clown. Ob es dieses Jahr dafür reicht, ist noch nicht ausgemacht.

Die rekonstruierte Mailbox-Nachricht

Die Mailboxnachricht von Christian Wulff an Kai Diekmann hat die Internetseite "Wulffplag" rekonstruiert:

"Guten Abend, Herr Diekmann. Ich rufe aus Kuwait an." "Warum können Sie nicht akzeptieren, dass das Staatsoberhaupt im Ausland ist und zuwarten," "bis ich Dienstagabend wiederkomme (...) und Mittwoch eine Besprechung zu machen, wo ich mit den Redakteuren rede (...) , und dann können wir entscheiden, wie wir den Krieg führen".

"Ich habe alles offengelegt, Informationen gegeben, mit der Zusicherung, dass die nicht verwandt werden. Die werden jetzt indirekt verwandt, das heißt, ich werde auch Strafantrag stellen gegenüber Journalisten morgen, und die Anwälte sind beauftragt."

"Seit Monaten" wird eine "unglaubliche" Geschichte [geplant]. "Es gab immer dieses jahrelange Gerücht, Maschmeyer hätte was damit zu tun. Wir haben dargelegt, dass das alles Unsinn ist. (...) "Wenn man nicht bis Mittwoch wartet" "und dann sagt: ?Okay?, wir wollen den Krieg und führen ihn. Das finde ich sehr unverantwortlich von Ihrer Mannschaft, und da muss ich den Chefredakteur schon jetzt fragen, ob er das so will (...)".

So "wie das gelaufen ist in den letzten Monaten, ist das inakzeptabel (...) weil diese Methoden (...) des investigativen Journalismus nicht mehr akzeptabel sind". "Der Rubikon ist für mich überschritten und für meine Frau auch". [Ich] hoffe, "dass Sie die Nachricht abhören ... Und ich bitte um Vergebung, aber hier ist jetzt für mich ein Punkt erreicht, der mich" "zu einer Einhaltung/Handlung (???) zwingt, die ich bisher niemals in meinem Leben präsentiert habe. Die hatte ich auch nie nötig". "Das bedeutet den endgültigen Bruch zwischen dem Bundespräsidenten und dem 'Springer'-Verlag", [sollte] diese "unglaubliche" Geschichte tatsächlich erscheinen.

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