Trinkwasser-Versorgung Der Kampf um Europas Wasser geht weiter

BRÜSSEL · Die Wasser-Schlacht ist entschieden. Doch der Kampf um das kostbare Nass geht weiter. Anders als von vielen erhofft hat der gewichtige Binnenmarkt-Ausschuss des Europäischen Parlaments gestern die Türen für eine Privatisierung der kommunalen Trinkwasser-Versorgung nicht geschlossen, sondern aufgestoßen.

Milliardengeschäft: Bis zu 140 Liter Trinkwasser verbraucht ein Single-Haushalt am Tag.

Milliardengeschäft: Bis zu 140 Liter Trinkwasser verbraucht ein Single-Haushalt am Tag.

Foto: VKU

Wenn Stadtwerke oder Zweckverbände nicht 100-prozentige Töchter der Kommunen sind und hauptsächlich (zu 80 Prozent) das eigene Gebiet versorgen, ist eine EU-weite Ausschreibung und damit Wettbewerb künftig Pflicht. "Wasser darf keine Handelsware werden", forderte deshalb die CDU-Europa-Abgeordnete Sabine Verheyen nach dem Votum.

Tatsächlich ist die nun gefundene Lösung für viele, aber keineswegs für alle Bundesländer eine gute Nachricht. Wo starke Stadtwerke-Strukturen wie beispielsweise in Bayern aufgebaut wurden, "ändert sich rein gar nichts", sagt der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber.

Aber schon in Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen müsse man "aufpassen". Dort seien die Energie-Konzerne an den Wasser-Zulieferern erheblich beteiligt. Das hat nun Konsequenzen: Konzessionen müssen europaweit ausgeschrieben werden, die Privatisierung ist nur schwer aufzuhalten. Verheyen spricht von einem "Zwang" der EU-Kommission, den "Markt für große Konzerne zu öffnen".

Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier bemühte sich gestern angesichts der wachsenden Unsicherheit vor allem in Deutschland, die Bedenken zu zerstreuen. "Der Richtlinien-Vorschlag beeinträchtigt in keiner Weise die Autonomie der Gebietskörperschaften bei der Organisation der Wasserversorgung." Man wolle die Städte und Gemeinden lediglich "verpflichten, faire und transparente Verfahren durchzuführen, wenn sie im Rahmen ihrer Selbstverantwortung die Wasserversorgung privatisieren wollen."

Richtig ist tatsächlich, dass das Kommissionspapier niemanden zwingt, zentrale Bereiche der so genannten Daseinsvorsorge dem Wettbewerb auszusetzen. Die Festlegung von Regeln für die Vergabe von Konzessionen öffnet aber eine Hintertüre, durch die auch diese Dienste zu Geschäften werden - und damit den europäischen Marktgesetzen unterliegen. Zumal zahlreiche Kommunen angesichts leerer Kassen den Gedanken an eine Privatisierung als durchaus reizvoll empfinden dürften. Im Fall Wasser, so fürchten Gegner der Kommission, mit gravierenden Konsequenzen: Große Konzerne hätten wenig Interesse an Investitionen in Leitungsnetze, Qualität und Hygiene der Wasserversorgung. Sie wollten vor allem eines: Wasser als Spekulationsobjekt nutzen.

Immerhin schätzen Experten den Wert des europäischen Marktes auf rund drei Milliarden Euro pro Jahr. Sozialdemokraten und Grüne hatten deshalb darauf gedrängt, neben dem Rettungswesen auch die Wasser-Versorgung aus dem Geltungsbereich der Konzessionsrichtlinie herauszunehmen - und scheiterten gestern vorerst. Die Sozialdemokratin Evelyne Gebhardt: "Diejenigen, die so tun, als wollten sie das Wasser schützen, gleichzeitig jedoch befürworten, öffentliche Träger der Wasser-Versorgung denselben Regeln zu unterwerfen wie private Anbieter, spielen ein falsches Spiel."

Noch steht die letzte Entscheidung darüber, ob auch die öffentliche Wasserversorgung den Wettbewerbsregeln der Union unterworfen wird, aus. Das Plenum des Europäischen Parlamentes entscheidet voraussichtlich im Frühjahr und auch der Ministerrat der Mitgliedstaaten muss noch zustimmen.

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