Sigmar Gabriel als Kanzlerkandidat Der Genosse Zwiespalt

BERLIN · Immerhin. Ihre Position hat Sigmar Gabriel schon eingenommen. Für 13 Minuten. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Ehemann Joachim Sauer wie alle Jahre wieder durch Südtirol wandert, teilweise geführt von der Bergsteigerlegende Reinhold Messner, leitete der Bundeswirtschaftsminister als Vize-Kanzler zu Hause in Berlin das Kabinett.

 SPD-Parteichef Sigmar Gabriel muss damit klar kommen, dass er bei der eigenen Basis offenbar nur bedingt beliebt ist. Nachgetragen wird ihm auch, dass er zu Jahresanfang den Dialog mit Pegida gesucht hat.

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel muss damit klar kommen, dass er bei der eigenen Basis offenbar nur bedingt beliebt ist. Nachgetragen wird ihm auch, dass er zu Jahresanfang den Dialog mit Pegida gesucht hat.

Foto: dpa

Ein Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen stand auf der Tagesordnung wie auch eine Verordnung, mit der die Bundesregierung jungen Asylbewerbern den Zugang zu Praktika erleichtern will. "Ungefähr auf Höhe der Uhr", also ungefähr dort, wo sonst die Kanzlerin ihren Stuhl hat, habe Gabriel als Chef dieser Kabinettssitzung Platz genommen.

CDU-Chefin Merkel blickt auf Königsspitze und Ortler, der SPD-Vorsitzende Gabriel derweil auf eher trübe Aussichten. Seine Partei kommt seit der Bundestagswahl nicht aus dem Knick. 25 Prozent plus minus ein Prozentpunkt. Das ist es. Und Gabriel selbst muss in diesen Tagen das Ergebnis einer Umfrage zur Kenntnis nehmen, nach dem sich nur jedes dritte SPD-Mitglied den eigenen Parteichef als nächsten Kanzlerkandidaten wünscht.

Nicht schön für Gabriel, der eventuell selbst dieser Kanzlerkandidat werden will. 56 Prozent sind der Auffassung, es gäbe bessere Personalvorschläge für die deutsche Sozialdemokratie, wenn die SPD 2017 nach Frank-Walter Steinmeier (2009) und Peer Steinbrück (2013) den nächsten Kandidaten gegen Merkel ins Rennen schicken will.

Noch vor knapp einer Woche hatte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) gar mit der für eine Volkspartei absonderlichen Idee aufmerken lassen, die SPD brauche 2017 womöglich gar keinen Kanzlerkandidaten. Außerdem sei der Wahlkampf gegen die populäre Bundeskanzlerin für die SPD ohnehin einigermaßen aussichtslos. Kopfschütteln allenthalben bei den Sozialdemokraten.

Parteichef Gabriel, seit November 2009 der 16. SPD-Bundesvorsitzende der Nachkriegszeit, muss damit klarkommen, dass er bei der eigenen Basis offenbar nur bedingt beliebt ist. Und ein Kandidat, will er erfolgreich sein, braucht die uneingeschränkte Unterstützung zumindest im eigenen Lager, muss er doch aus der umkämpften politischen Mitte Wechselwähler hinüber zur SPD ziehen.

Doch inzwischen machen, auch als Reaktion auf Albigs Lob für Merkel, auf Satire getrimmte SPD-Wahlplakate die Runde, auf denen Merkel abgebildet und der Slogan zu lesen ist: "Wer Merkel will, muss SPD wählen!" Gar nicht lustig - aus Sicht von Gabriel.

Gabriel selbst gab 2009 bei seiner Antrittsrede als neuer Parteichef den Delegierten des Dresdner Bundesparteitages eine bittere Erkenntnis mit auf den Heimweg: Die SPD habe seit der Bundestagswahl 1998 zehn Millionen Wählerinnen und Wähler verloren, die Hälfte der Anhänger. "Eine Partei, der das passiert, hat eines nicht: ein sichtbares Profil", so Gabriel in einer grundlegenden Analyse über die galoppierenden Zustimmungsverluste im Bund.

Doch das Klima für Gabriel hat sich nach ersten, für die SPD identitätsstiftenden Erfolgen in der großen Koalition wie gesetzlicher Mindestlohn und Rente mit 63 abgekühlt. Einen Besuch Gabriels bei Pegida-Anhängern zu Jahresanfang haben Teile der eigenen Basis ebenso wenig verstanden wie sie die plötzliche Offensive des Parteichefs für die Vorratsdatenspeicherung oder dessen unklare Position beim Grexit gebilligt hätten.

Schnell war von "Mister Zickzack" die Rede. Da war er wieder: Gabriels Ruf als irgendwie nicht berechenbarer Zeitgenosse, obwohl der Parteichef doch mit Start der großen Koalition hart an seiner Seriosität gearbeitet hat.

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