Theresa May beantragt Brexit Der Anfang vom Ende

London · Nach dem offiziellen Antrag zum Austritt ist die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs in der EU-Frage tief gespalten. Aktivisten demonstrieren vor dem Londoner Parlament gegen Mays kompromisslose Linie.

 Die britische Premierministerin Theresa May unterzeichnet am 28. März in London das Trennungsgesuch nach Artikel 50 des EU-Vertrags. Die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens wird voraussichtlich im März 2019 enden.

Die britische Premierministerin Theresa May unterzeichnet am 28. März in London das Trennungsgesuch nach Artikel 50 des EU-Vertrags. Die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens wird voraussichtlich im März 2019 enden.

Foto: dpa

Es waren historische Momente: Um 13.25 Uhr Brüsseler Zeit hatte der britische EU-Botschafter Tim Barrow den von Premierministerin Theresa May unterzeichneten Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk überreicht, mit dem London Artikel 50 ausgelöst hatte. Kurz danach richtete May ihre Worte im Unterhaus an die Politikerkollegen und an das Volk. Der 29. März sei „ein Tag zum Feiern für die einen, für andere enttäuschend“. Jetzt sei es jedoch an der Zeit „zusammenzukommen“, forderte sie ihre Landsleute zur Einheit auf. Damit hat der Anfang vom Ende begonnen. Das Königreich wird in zwei Jahren aus der Staatengemeinschaft ausscheiden. Vor neun Monaten hat die Mehrheit der britischen Wähler für den EU-Austritt votiert, seit gestern tickt die Brexit-Uhr.

Sowohl in ihrer Rede als auch in dem sechsseitigen Schreiben schlug May gegenüber Brüssel einen deutlich versöhnlicheren und freundlicheren Ton an, als dies in den vergangenen Wochen der Fall war. Das Mantra, das seit Monaten regelmäßig von Regierungsvertretern bemüht wird, fehlte auch gestern nicht: „Wir verlassen die Europäische Union, aber wir verlassen nicht Europa.“ Es gehe vielmehr darum, „die Kontrolle über jene Dinge zu übernehmen, die uns am wichtigsten sind“. Das Referendum sei ein Votum zur Wiederherstellung der nationalen Souveränität gewesen.

Dann brandete höhnisches Gelächter von proeuropäischen Abgeordneten auf, als May meinte: „Vielleicht jetzt mehr denn je braucht die Welt die liberalen, demokratischen Werte Europas – Werte, die das Vereinigte Königreich teilt.“ Sie wünsche sich eine „tiefe und besondere Partnerschaft“ mit der EU, die „wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit“ beinhalten solle. Dafür schlug die Konservative ein „kühnes und ambitioniertes Handelsabkommen“ vor, das einen größeren Umfang und Anspruch haben soll „als jeder Deal zuvor“.

Wie gespalten die Gesellschaft über der EU-Frage jedoch ist, zeigte sich gestern abermals am Zeitungskiosk. Es sei ein „Sprung ins Unbekannte“, beklagte der linksliberale „Guardian“. Das europaskeptische Boulevardblatt „Daily Mail“ feierte dagegen auf der Titelseite die „Freiheit“, während die „Sun“ schadenfrohe Witze auf Kosten der EU machte. „See EU later“, verabschiedete sie sich vom Kontinent. Vor dem Parlament protestierten einige Aktivisten gegen den Brexit und die kompromisslose Linie, die May bislang verfolgt hat. Eine Demonstrantin hatte sich einen riesigen Kopf in Gestalt der Premierministerin aufgesetzt und zog drei geknebelte Briten an Halsbändern hinter sich her.

May strebt einen harten Bruch mit Brüssel an. Um künftig die Zahl der Einwanderer aus der EU kontrollieren zu können, will sie sowohl aus der Zollunion austreten als auch die Mitgliedschaft im gemeinsamen europäischen Binnenmarkt aufkündigen. Davor warnen zwar Ökonomen, doch das Reizthema Immigration war eines der entscheidenden Argumente für etliche Brexit-Wähler.

„Wir wissen, dass der Austritt Konsequenzen für das Königreich haben wird“, sagte May im Unterhaus. Und: „Wir wissen, dass wir an Einfluss verlieren werden über die Regelungen, die die europäische Wirtschaft betreffen.“ Zudem sei man sich bewusst, dass britische Unternehmen, die mit der EU handeln, sich nach den Regeln richten müssten, die von Institutionen vereinbart wurden, denen man nicht mehr länger angehöre. Nichtsdestotrotz: „Wir akzeptieren das“, sagte die Regierungschefin. Gleichzeitig lehnte sie Ausnahmeregelungen für einzelne Regionen wie Schottland ab. In Nordirland sorgen sich die Menschen um ein Aufflammen alter Konflikte. Die Premierministerin kündigte denn auch an, sie werde alles tun, um zu verhindern, dass es zu einer befestigten Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Nachbarn, der Republik Irland, kommt.

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