Kommentar zur Bundestagswahl Den Wechsel wagen

Meinung | Bonn · Wählen gehen ist für alle Demokraten selbstverständlich. Wer es nicht tut, überlässt den Extremisten das Feld. Die werden nämlich garantiert abstimmen, kommentiert GA-Chefredakteur Helge Matthiesen.

 Bei der Bundestagswahl kommt es auf jede Stimme an.

Bei der Bundestagswahl kommt es auf jede Stimme an.

Foto: dpa

Warum noch wählen? Schaut man in die Zeitungen oder Online-Dienste, dann geht es dort schon mehr um die Tage nach der Wahl. Das Ergebnis scheint klar: Vermutlich wird es zwei Volksparteien geben, die es zaust, die eine mehr, die andere weniger. Vermutlich wird es zwei Gewinner geben, die AfD und die FDP. Vermutlich wird es einen großen Verlierer geben, die Grünen, und einen kleinen, die Linke. Ansonsten geht es mit Angela Merkel weiter. Langweilig!, ist überall zu lesen und zu hören. Aber das ist ein Irrtum. Es geht am Sonntag um eine ganze Menge.

Es hat andere Gründe, warum der Wahlkampf ohne dominierendes Thema dahinplätscherte. Sicherlich, die CDU tat alles, um das eigentliche Wahlkampfthema unter dem Radar des Volkes zu halten. Es schwebte zwar ständig die Frage nach der Zukunft des Landes in Zeiten der Flüchtlingsströme über allem. Die CDU wollte diese Frage aber nicht diskutiert wissen, um der AfD keine Chance zu bieten. Das ist ihr weitgehend gelungen – wenngleich kaum vorhersehbar scheint, wie stark der rechte Rand werden wird. Gut möglich, dass die AfD hoch gewinnt. Die Wahl ist die erste Gelegenheit für alle Merkel-Kritiker, nach dem Krisenjahr 2015 mit der Kanzlerin direkt abzurechnen.

Genauso bedeutend für die scheinbar fehlende Spannung ist die Kräftekonstellation der Parteien. Eine Regierungsbildung ohne die CDU ist fast unmöglich. Das diszipliniert die Auseinandersetzung mit der Regierungspartei von ganz allein. Die Fernsehdebatte der beiden Spitzenkandidaten legte davon Zeugnis ab. Auch Grüne und FDP sind eher zahm im Umgang mit der CDU.

Genau hier liegt die Chance für die Wahl. Dass die bisherige Kanzlerin auch die künftige sein wird, ist wahrscheinlich. Es bleibt aber die Frage, mit wem sie regiert. Und hier wird es interessant, denn weitere vier Jahre mit der SPD verschlimmern den Zustand der bundesdeutschen Demokratie. Die Gewichte im Parlament zwischen Regierung und Opposition stimmen einfach nicht. Außerdem begünstigt diese Konstellation die radikalen Ränder. In der AfD wird man sehr hoffen, dass es nach dem 24. September so weitergeht.

Die wahrscheinlichste Alternative wäre ein Dreierbündnis aus CDU, FDP und Grünen. Eine sehr bürgerliche Mischung aus christlich-sozial, wirtschaftsliberal und ökologisch verspricht interne Reibung und viele spannende Debatten mit der Opposition. Unwahrscheinlich, dass Sozialpolitik in dieser Konstellation weiter so wichtig bleibt. Ein Richtungswechsel ist also durchaus möglich. Die Parteien müssen ihn nur wollen.

Der Sonntagabend verspricht daher spannend zu werden, denn es kommt am Ende auf jede Stimme an. Wählen gehen ist für alle Demokraten selbstverständlich. Wer es nicht tut, überlässt den Extremisten das Feld. Die werden nämlich garantiert abstimmen.

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