Beschluss der Berliner SPD Debatte um das Schulverbot für die Bundeswehr

Berlin · Mit dem Beschluss zum Auftritts-Verbot der Bundeswehr an Schulen hat die Berliner SPD eine lebhafte Debatte ausgelöst. Auch Sozialdemokraten verteidigen die Aufklärung, doch die Truppe bekommt viel Gegenwind.

Ist es der Anfang einer neuen „Ohne-mich“-Bewegung? Jenem Vorläufer der Pazifismusbewegung, der in den frühen 50er Jahren gegen die Wiederbewaffnung zu Felde zog? Der Berliner Landesverband der regierenden SPD hat am Wochenende der Bundeswehr den Stuhl vor die Schultüre gestellt. „Für Töten und Sterben macht man keine Werbung“, begründeten die Sozialdemokraten ihre Parteitags-Entscheidung, ins Schulgesetz einen Passus einzufügen, der es „militärischen Organisationen untersagt, an Berliner Schulen für den Dienst und die Arbeit im militärischen Bereich zu werben“. Diese Offensive gegen die deutschen Streitkräfte ist kein Einzelfall.

Im vergangenen Jahr bekam die Bundeswehr keinen Platz bei der Internet-Messe „re:publica“ in Berlin, wo sie über ihre Cyber-Aktivitäten informieren wollte. Sie stellte dann ein Fahrzeug mit dem plakativen Schriftzug „Zu Bunt gehört auch Grün“ vor den Eingang, löste damit Debatten über die Toleranz derjenigen aus, die für größtmögliche Meinungsfreiheit stehen, und landete zumindest einen Achtungserfolg in Sachen Kreativität.

Auch bei anderen Messen und Events bekommt die Truppe immer wieder Stress, wenn sie Infostände beschickt, wie auf der Spielemesse Gamescom, oder zu Strategiespielen einlädt, wie auf großen Ausstellungen. Dabei geht es hier nicht um Werbung fürs Militär, sondern um den Umgang mit Konflikten und welche Taktik der Besucher wählen würde, wenn er im UN-Sicherheitsrat säße.

Eine "absurde Polemik"

Der Beschluss der Berliner Genossen muss erst noch von Senat und Bürgerschaftsfraktion aufgegriffen und dann mit den Regierungspartnern von Grünen und Linken verabredet werden. Doch bei diesen Partnern dürfte die SPD offene Türen einlaufen. Gegen die Werbe-Präsenz haben Politiker aus beiden Parteien mit Hinweis auf eine wachsende Zahl minderjähriger Rekruten oft Stellung bezogen.

Der aus Berlin kommende verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Fritz Felgentreu, lässt an dem Papier jedoch kein gutes Haar. Der Beschluss wolle etwas anderes verbieten, als in der Begründung vorgebracht werde. „Herumgeschwurbelt“ werde beim Adressaten des Verbotes, denn bei „militärische Organisationen“ frage man sich, ob es mehrere davon gebe. Dann sei von „Jungoffizieren“ statt „Jugendoffizieren“ die Rede in dem Beschluss, der daraufhin in eine „absurde Polemik“ gegen Werbung „für Töten und Sterben“ verfalle. Das zeuge von „mangelndem Sachverstand und wird zum Glück zu nichts führen.“

Oppermann wird deutlich

Der Verteidigungsexperte wirbt im Gespräch mit unserer Redaktion für die Jugendoffiziere, die eine „tolle Arbeit“ leisteten, indem sie mit Jugendlichen über den Verfassungsauftrag der Bundeswehr diskutierten. „Das ist keine Werbung, sondern politische Bildung zum Anfassen – und darf nicht infrage gestellt werden“, so Felgentreu.

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) hatte sich zuvor ähnlich deutlich geäußert. Die Bundeswehr sei demokratisch und eine Parlamentsarmee. Die Soldaten verdienten Respekt. „Wer so einen Unsinn beschließt, sollte sich selbst von unseren Schulen fernhalten.“ Der ehemalige SPD-Fraktionschef attackierte zudem die These der Berliner Genossen, die von der Bundeswehr angesprochenen Schüler seien überwiegend Minderjährige und in einem Alter, „in welchem sich zentrale Lebens- und Wertvorstellung erst noch entwickeln“ müssten. Deshalb seien sie auch „anfällig“ für „militärische Propaganda“. Dazu Oppermann: „Ihr traut den Schülern zu wenig zu“ – verbunden mit der Empfehlung, bei den Klimaprotesten der Schüler vorbeizuschauen.

Verteidigungsministerium übte Kritik

Auch die Verteidigungsministerin übte Kritik. „Der Beschluss und vor allem seine Begründung ist ein Schlag ins Gesicht aller Soldatinnen und Soldaten“, sagte Ursula von der Leyen (CDU). Sie hielten bei jedem Einsatz den Kopf dafür hin, dass in Deutschland Frieden und Freiheit herrschten. „Deswegen darf es keinen Raum in dieser Gesellschaft geben, in dem diese Leistung totgeschwiegen und herabgewürdigt werden soll“.

Ihr Haus versicherte, dass die Jugendoffiziere nur auf Wunsch der Schulen tätig würden. Die rund 70 haupt- und etwa 270 nebenamtlichen Jugendoffiziere würden auch nicht selbst aktiv, sondern warteten auf Einladungen. Die Jugendoffiziere sind – anders als die Nachwuchswerbung – nicht dem Verteidigungsministerium direkt unterstellt, sondern gehören zu den Landeskommandos. Geschult werden sie vom Zentrum für Informationsarbeit der Bundeswehr in Strausberg bei Berlin.

Lässt sich Information von Werbung trennen

Freilich steht dieses Zentrum auch hinter den Bundeswehr-Internetauftritten, die ebenfalls von Politikern aus dem linken Spektrum misstrauisch betrachtet werden. Auf ihren Youtube- und Facebook-Kanälen erreichen die Informationsarbeiter mit Serien über Spezialkräfte oder Rekruten ein Millionen-Publikum. Das bezeichnet der Kommandeur des Zentrums, Kapitän Christian Dienst als „audiovisuelle Erklärstücke“. Darin werde die „Story der Bundeswehr“ erzählt. Auch eine Grundsatzformel für die Arbeit des Zentrums hat Dienst: „Authentizität mal Transparenz ist gleich Glaubwürdigkeit.“

Unabhängig von den Einsätzen der Jugendoffiziere gehen die Karriereberater zu ganz anderen Veranstaltungen, etwa zu von Schulen aufgezogenen Jobinformationsbörsen. Aber lässt sich die Information streng von der Werbung trennen? Dienst formuliert es anders: „Das sind zwei Domänen, die sich idealerweise ergänzen.“

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