Geheimdienste Das Kanzleramt schweigt

Berlin · Der Bundesnachrichtendienst erhält einen neuen Chef: Für Gerhard Schindler kommt Bruno Kahl, ein enger Vertrauter des ehemaligen Bundesinnenministers und jetzigen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble.

 Der neue Mann an der Spitze des deutschen Auslandsgeheimdienstes: Bruno Kahl gestern bei seiner Vorstellung im Bundeskanzleramt.

Der neue Mann an der Spitze des deutschen Auslandsgeheimdienstes: Bruno Kahl gestern bei seiner Vorstellung im Bundeskanzleramt.

Foto: dpa

Typisch Nachrichtendienst. Vieles bleibt im Verborgenen, in diesem Fall auch die Gründe für einen Personalwechsel an der Spitze des Bundesnachrichtendienstes (BND). Peter Altmaier hat den Dienstagabend verstreichen lassen, ohne die prominente Personalie, die zu diesem Zeitpunkt schon Überschriften produzierte, zu kommentieren. Keine Bestätigung und kein Dementi dafür, dass BND-Präsident Gerhard Schindler tatsächlich seinen Posten räumen wird. Und auch am Tag danach nennt der für die Nachrichtendienste zuständige Kanzleramtschef Altmaier (CDU) weiter keine Gründe, auch wenn die Bundesregierung den bevorstehenden Wechsel an der Spitze des deutschen Auslandsgeheimdienstes nun offiziell mitteilt. Schindler räumt den Präsidentenstuhl des BND, wenn man die Wortlosigkeit des Kanzleramtes in diesem Punkt zuspitzen wollte, also grundlos.

Aber so ist es natürlich nicht. Es gibt Gründe, nur darüber will Altmaier nicht sprechen. Schindler, 63 Jahre alt und seit 2012 an der BND-Spitze, ist politischer Beamter und kann nach Paragraf 54 des Bundesbeamtengesetzes ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Und so geschieht es im Falle Schindler auch. Diese Regelung diene „dem Schutz aller Beteiligten“, heißt es in der Regierungszentrale.

Schindler werde nicht aus dem Amt gejagt, sondern gehe in einem ordentlichen Verfahren. Er habe „ganz eindeutig Verdienste um die Modernisierung“ des BND. Auch sei der Wechsel an der Spitze des deutschen Auslandsgeheimdienstes „nicht Knall auf Fall“ über die Bühne gegangen, sondern sei wohl überlegt und auch vorbereitet gewesen. Zum 1. Juli übernimmt der Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium, Bruno Kahl, den BND und wird damit Chef über Deutschlands Spione und Auslandsaufklärer. Kahl ist in verschiedenen Funktionen seit 20 Jahren enger Mitarbeiter des heutigen Finanzministers Wolfgang Schäuble, was wiederum Spekulationen weckt, ob der ehemalige Innenminister Schäuble einen Vertrauten auf einen zentralen Posten gebracht haben könnte, um die künftige Sicherheitsarchitektur Deutschlands besser zu beeinflussen. Über Kahl heißt es, er habe sich den Wechsel gut überlegt und habe großen Respekt vor der neuen Aufgabe. Er fühle sich aber nach verschiedenen Stationen mit Zuständigkeit für Sicherheits-, Außen-, Verteidigungs- und Europapolitik der Herausforderung gewachsen.

Offiziell erklärte Altmaier nur: „Der Bundesnachrichtendienst steht in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen, die alle Bereiche seiner Arbeit betreffen.“ Eine Aufgabe für einen Reformer. Aus den Erkenntnissen des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestages müssten „notwendige organisatorische und rechtliche Konsequenzen“ gezogen werden. Die parlamentarischen Ermittler hatten ans Licht gebracht, dass einige Abteilungen des BND ein sehr selbstbestimmtes Eigenleben führten – offenbar ohne jegliches Bewusstsein, die Spitze des Hauses in heiklen Angelegenheiten informieren zu müssen.

Auch der jahrelange Einsatz sogenannter Selektoren, also von Suchbegriffen des US-Geheimdienstes NSA durch den BND in dessen Abhörstation in Bad Aibling, rückte den deutschen Auslandsgeheimdienst in schlechtes Licht. So soll die NSA über den BND versucht haben, an Informationen über mit Deutschland befreundete europäische Regierungen wie etwa in Frankreich und Großbritannien, aber auch über die EU-Kommission in Brüssel, über den Airbus-Hersteller EADS oder den Hubschrauberhersteller Eurocopter zu gelangen. Im vorigen Jahr gab es in diesem Zusammenhang auch Rücktrittsforderungen an Schindler, doch das Kanzleramt, dem der deutsche Auslandsgeheimdienst unterstellt ist, hielt an dem BND-Präsidenten fest.

Nun wird Schindler doch gehen – in den einstweiligen Ruhestand. Womöglich soll mit dem 53 Jahre alten Kahl ein Jüngerer in die Spur gesetzt werden, der die nötigen Veränderungen wie auch den Umzug des Bundesnachrichtendienstes von Pullach nach Berlin auf der gesamten Strecke organisieren kann. Die nächsten fünf bis zehn Jahre, so heißt es aus dem Kanzleramt, müsse der Auslandsgeheimdienst durch „die größten Umstrukturierungen seiner Geschichte“ gehen. Der Kampf gegen den Terror oder die Gefahren der Cyber-Welt erforderten Veränderungen an Auftragsprofil und Fähigkeiten des BND mit seinen 6500 Mitarbeitern. Politisch wiederum plant Kanzleramtschef Altmaier noch in diesem Jahr eine Novelle des BND-Gesetzes.

Mit dem Koalitionspartner SPD sei übrigens der Wechsel an der BND-Spitze selbstverständlich besprochen worden, heißt es im Kanzleramt. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte gestern launig auf die Frage, ob ihn störe, dass mit Kahl ein Vertrauter Schäubles BND-Chef werde: „Sie wissen doch, wir beide sind ziemlich beste Freunde.“

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