Russische Soldaten in der Ukraine Das Kämpfen und Sterben der "Grünen Männchen"

MOSKAU · Während Präsident Putin den Militäreinsatz in der Ukraine zum Tabu erklärt, suchen Soldatenmütter ihre bei der Invasion verschwundenen Söhne.

 Russische Soldaten, gefangen genommen und der Presse vorgeführt im ukrainischen Donezk, belegen die Invasion Putins.

Russische Soldaten, gefangen genommen und der Presse vorgeführt im ukrainischen Donezk, belegen die Invasion Putins.

Foto: dpa

Sie seien wie die "Grünen Männchen" auf der Krim, sagt der Reporter. "Sie tragen einheitliche Monturen und Sturmmasken und sagen kein Wort, um sich nicht durch ihren Akzent zu verraten." Der Moskauer Zeitungsreporter redet über die russischen Truppen, die die ukrainische Stadt Nowoasowsk eingenommen haben. In seinem Artikel dazu erwähnt er sie allerdings mit keinem Wort.

Die russische Staatsmacht hat den Militäreinsatz in der Ukraine zum Tabu erklärt - auch für die Presse. So wie im März auf der Krim, damals verkaufte Präsident Wladimir Putin die "grünen Männchen" der Weltpresse als einheimische Volkswehr - erst nach dem Anschluss der Halbinsel an Russland gestand er die Wahrheit. Am Freitag erwähnte der Präsident bei einem Auftritt am Seliger-See das Thema Intervention mit keinem Wort, stattdessen lobte er die "militärisch-humanitäre" Kampfweise der Separatisten.

Mit sehr sowjetischen Verbaltaktiken mühen sich Staatsapparat und Staatsmedien, das Vorrücken, das Kämpfen, erst recht das Sterben der eigenen Soldaten im Nachbarland zu vertuschen. Der stramm kremltreue TV-Sender Life News schnitt das Eingeständnis des Rebellenführers Alexander Sachartschenko, seine Kämpfer würden durch beurlaubte russische Militärs unterstützt, glatt aus einem Sachartschenko-Zitat heraus.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums dementierte Satellitenfotos der Nato von russischen Kampffahrzeugen in der Ukraine "als schon nicht mehr witzig". Und viele Russen glauben ihren Behörden. Nach einer am Freitag veröffentlichten Umfrage des Lewada-Meinungszentrums ist die Zahl der Russen, die einen Militäreinsatz in der Ukraine für möglich halten von 28 Prozent im April auf 16 Prozent im August gesunken.

Einer Gruppe russischer Journalisten, die bei Pskow die frischen Gräber zweier Fallschirmjäger fotografieren wollten, zerstachen Unbekannte die Autoreifen, drohten ihnen, sie selbst würden im nahen Sumpf verschwinden, wenn sie nicht sofort abreisten. Und offenbar wird nicht nur Journalisten Angst gemacht. Eine Reporterin der Oppositionszeitung Nowaja Gaseta, die die Witwe eines Gefallenen anrief, bekam zu hören, ihr Mann sei gesund und munter und stehe neben ihr.

"Es gab in den vergangenen Wochen Dutzende Anfragen von Soldatenfamilien, die befürchten, ihre Wehrdienst leistenden Verwandten seien in die Ukraine abkommandiert worden", sagt der Moskauer Menschenrechtler Lew Ponomarjew unserer Zeitung. "Aber den Leuten fehlt der Wille, selbst etwas zu unternehmen."

Derweil werden immer neue Soldatenbegräbnisse bekannt, Petersburger Autofahrer fotografierten Donnerstagabend eine Kolonne von Krankenwagen, die eskortiert von Militärpolizei aus der Richtung eines Militärflughafens kam. Das Internetportal fontanka.ru vermutet, es handle es sich um einen Verwundetentransport. Ein Sprecher des zuständigen Militärbezirks versicherte, er wisse nichts von einer solchen Kolonne.

Ella Poljakowa, Vorsitzende des Petersburger Komitees der Soldatenmütter und Mitglied des Präsidialrates für Menschenrechte, richtete schon zwei Eingaben an das Russische Ermittlungskomitee, um die Todesumstände insgesamt zehn umgekommener russischer Wehrpflichtiger zu klären. Sie veröffentlichte Berichte über den Tod von über 100 russischen Soldaten unweit der ukrainischen Stadt Sneschnoje.

Am Freitag hat das Justizministerium das Petersburger Soldatenmütterkomitee auf die Liste der Organisationen gesetzt, die als "Ausländische Agenturen" Zusatzschikanen ausgesetzt sind. Auch Russlands Soldatenmütter sollen die Tugend des Schweigens lernen.

Derweil sind vier Ärzte der Bundeswehr, darunter zwei aus Koblenz, sind zur Versorgung Verwundeter in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eingetroffen. Das Team wird verletzte ukrainische Soldaten untersuchen. Geplant ist, dass etwa fünf von ihnen ins Bundeswehrkrankenhaus Koblenz kommen. Die Verwundeten sollen am Dienstag mit einem Spezial-Flugzeug transportiert werden.

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