Seltene Eintracht: Ursula von der Leyen und Thomas de Maizière Das Gewehr im Anschlag

BERLIN · Ursula von der Leyen und Thomas de Maizière folgen an diesem Nachmittag gewissermaßen der alten Nato-Devise: Gemeinsam rein bedeutet auch gemeinsam raus.

Und so gehen die umtriebige Verteidigungsministerin und ihr Vorgänger in demonstrativer Eintracht in diesen gemeinsamen Einsatz vor dem Verteidigungsausschuss, dessen Mitglieder allzu gern wissen würden, wie die Geschichte des Pannengewehrs G36 wirklich erzählt werden muss und ob der Militärische Abschirmdienst (MAD) tatsächlich versucht hat, jene Quellen im Ministerium ausfindig zu machen, von denen Journalisten ihre Informationen hatten.

Um 14.02 Uhr beginnt der Auftritt von der Leyens und de Maizières in einer Angelegenheit, von der die Grünen-Obfrau Agnieszka Brugger beispielsweise sagt, sie habe den Eindruck, es werde seitens des Ministeriums unverändert "vertuscht". Sie würde allzu gerne wissen, ob der MAD eingeschaltet worden sei, Quellen von Journalisten auszuforschen, was das Ministerium nach eigenen Nachfragen beim MAD aber zurückweist. Allein auf Aktenlage will sich Brugger nicht verlassen, weil so niemand erfahre, worum es beispielsweise bei jenem Gespräch gegangen sei, das der Geschäftsführer von Heckler & Koch in Begleitung eines Abteilungsleiters aus dem Ministerium beim MAD geführt habe. Brugger jedenfalls fordert erneut einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

So weit will Linke-Obmann Jan van Aken derzeit nicht gehen. Er sagt: "Ich möchte aufklären." Allerdings aktuell noch nicht mit dem liebsten Instrument der Opposition, einem Untersuchungsausschuss. Dafür allerdings müsse die Amtsinhaberin etwas liefern: jenen Brief aus den 90er Jahren, den van Aken in einem Ordner des Verteidigungsministeriums vermutet. Darin soll sich der heutige Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) damals noch als einfacher Abgeordneter "für seine Freunde von Heckler & Koch eingesetzt" haben. Die schwäbische Waffenschmiede liegt in Kauders Wahlkreis.

Van Aken betont dazu, sollte von der Leyen diesen Brief dem Ausschuss nicht zur Verfügung stellen, "dann kriegt sie sofort einen Untersuchungsausschuss". Das Ministerium wiederum verweist darauf, es habe keinen solchen Brief, sondern lediglich einen Aktenvermerk darüber. Für Linke-Obmann van Aken ist die Rolle von de Maizière bei der Pannenaufklärung um das G36 gleichwohl klar: Der CDU-Politiker sei dabei "ein Totalausfall" gewesen. De Maizière sei insgesamt sechs Mal über Präzisionsprobleme mit dem Sturmgewehr informiert worden, ohne dass er gehandelt hätte.

Um 15.56 Uhr, nach knapp zwei Stunden, haben von der Leyen und de Maizière ihre gemeinsame Mission im Verteidigungsausschuss des Bundestages dann beendet. Fast. Beide geben noch Seite an Seite vor den Kameras Statements ab. Nachfragen sind nicht vorgesehen. Nach eigenen Angaben war de Maizière Anfang 2012 vom damaligen Wehrbeauftragten des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), informiert worden, dass es Präzisionsprobleme mit dem G36 gebe.

Diesen Hinweisen sei man dann "in unterschiedlicher Weise", in jedem Fall aber eingehend nachgegangen. Am Ende stand für ihn als Verteidigungsminister das Ergebnis, dass das G36 "voll einsatztauglich" gewesen sei. Laut dem heutigen Bundesinnenminister de Maizière "ein richtiges und gutes Gewehr".

Von der Leyen versucht sich beim Auftritt mit de Maizière in betonter Gemeinsamkeit in Sachen G36: "Wir haben beide dieselbe Sicht auf die Dinge". Dank der "Vorarbeiten" von de Maizière zur Einsatztauglichkeit des Sturmgewehres, die ihr Vorgänger eingeleitet habe, hätten ihr "neue Fakten zur Verfügung" gestanden. Von der Leyen hatte Ende April nach mehreren, zum Teil widersprüchlichen Gutachten entschieden, dass die Bundeswehr das G36 in seiner jetzigen Version ausmustern wird.

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