Co-Trainer der ägyptischen Nationalelf: "Die Leute leiden selbst am meisten"

BONN/KAIRO · Unruhen, Ausschreitungen, Demonstrationen, blutige Krawalle und Tote sogar bei einem Fußballspiel: Das Bild, das Ägypten derzeit bietet, gibt zu schlimmen Befürchtungen Anlass. Auch Tomek Kaczmarek hatte sich seinen Einstand hier anders vorgestellt. Seit zwei Wochen ist der ehemalige Trainer des Bonner SC in seiner neuen Funktion als Co-Trainer der ägyptischen Fußball-Nationalmannschaft vor Ort.

 Tomek Kaczmarek im vergangenen Jahr als Trainer beim Bonner SC.

Tomek Kaczmarek im vergangenen Jahr als Trainer beim Bonner SC.

Foto: Horst Müller

Doch wann, wo und mit welchen Spielern Kaczmarek und sein "Chef", der Amerikaner Bob Bradley, trainieren und sich auf die Qualifikation zum Afrika-Cup 2013 vorbereiten können, ist seit der Tragödie von Port Said ungewiss.

Mehr als 70 Menschen kamen am Mittwoch nach der Partie zwischen den rivalisierenden Clubs Al-Masri und Al-Ahli zu Tode; gewalttätige Zuschauer hatten nach dem Abpfiff mit Flaschen, Steinen und Messern Jagd auf Spieler und Anhänger der Gäste gemacht. Die beiden Nationaltrainer hatten sich am Mittwoch entschlossen, sich in Kairo eine andere Begegnung anzuschauen. Nicht zuletzt, weil es Warnungen gegeben hatte, dass es in Port Said zu Problemen wegen rivalisierender Fangruppen kommen könne.

Als die Tragödie zur Halbzeit des Spiels in Kairo bekannt wurde, brach der Schiedsrichter dort die Partie ab. "Erst da haben wir erfahren, was in Port Said geschehen war, ohne das ganze Ausmaß der Katastrophe zu kennen. Wir sind sofort ins Auto gestiegen und ins Hotel zurückgefahren", berichtet Kaczmarek. Dort sah sich der Bonner die schockierenden Bilder im Fernsehen an. "Das hat mit Fußball wirklich nichts mehr zu tun", meint er.

Kaczmarek fühlt sich trotz der der gewalttätigen Exzesse bei dem Fußballspiel sicher in Ägypten. "Ich bin erst seit 14 Tagen in Kairo, aber es kommt mir vor, als lebte ich schon ewig hier", sagt er. "Dieses Land ist alles andere als gewalttätig. Im Gegenteil: Es ist beeindruckend, die Menschen sind fantastisch. Die Leute leiden selbst am meisten unter dem Bild, das draußen ankommt."

Der Fußball sei für die Ägypter wie eine Religion. "Mit Deutschland sind die Verhältnisse nicht zu vergleichen. Wenn Bob Bradley und ich über die Straße gehen, rufen uns die Leute zu, wen wir für die Nationalelf nominieren sollen", erklärt Kaczmarek. Selbst bei einem Trauerzug, an dem sie aus Respekt und Wertschätzung für die Menschen teilgenommen hätten, habe er sich nicht unsicher gefühlt.

"Da bildet sich unter 10.000 emotionalen Ägyptern in null Komma nichts ein Kreis von 15 bis 20 Leuten, die einen Ring um uns bilden und uns schützen." Auch wenn er durch den Fußball zu einer bekannten Person geworden ist, treten der Sport und die Terminplanung für die Qualifikation zum Afrika-Cup 2013 für den Bonner derzeit in den Hintergrund. "Es geht jetzt nicht um meinen Job, sondern allein um die Menschen in diesem Land", stellt er klar, wenngleich für den 20., 23. und 29. Februar Länderspiele angesetzt sind. Auch die Ablösung der ägyptischen Fußballverbands-Spitze bereitet Kaczmarek wenig Kopfzerbrechen.

"Wir warten ab, was passiert, wenn neue Leute am Ruder sind. Aber Bob Bradley wird von den Menschen hier regelrecht geliebt." Ein kleines Ärgernis gibt's dann doch für den früheren BSC-Trainer: "Ich hatte gerade eine Wohnung in Kairo gefunden. Aber nach der Ablösung der Verbandsspitze ist keiner mehr da, der meinen Mietvertrag abzeichnet. Also muss ich fürs Erste im Hotel bleiben."

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