Bundesagrarminister im GA-Interview Christian Schmidt: "Anbauverbote für Gen-Pflanzen"

BONN · Als eindeutiger Gegner von Gentechnik in Lebensmitteln gibt sich Agrarminister Christian Schmidt im Interview des General-Anzeigers zu erkennen. Mit dem CSU-Politiker sprach in Berlin Norbert Wallet.

 Christian Schmidt im Interview mit GA-Korrespondent Norbert Wallet.

Christian Schmidt im Interview mit GA-Korrespondent Norbert Wallet.

Herr Minister, eigentlich hätten wir ja ein paar Fragen aus Verbrauchersicht, aber da sind Sie ja leider der falsche...
Christian Schmidt: Keineswegs.

Aber offiziell ist doch der Verbraucherschutz ins Justizministerium gewandert.
Schmidt: Es mag zwar im Namensschild des Ministeriums ein Buchstabenwechsel stattgefunden haben, aber das bedeutet nicht die Auflösung der Zuständigkeiten. Im Klartext: Für die Themen, die für den Bürger sozusagen zum Anfassen sind, bin ich zuständig: also für den lebensmittelrechtlichen und gesundheitlichen Verbraucherschutz sowie die alltägliche Produktsicherheit. Darüber hinaus bin ich aber natürlich auch der Minister für den ländlichen Raum.

Versteht sich also der Noch-immer-Verbraucherschutzminister als Anwalt derjenigen Bürger, die sichergestellt wissen wollen, dass ihr Essen keine gentechnisch veränderten Produkte enthält?
Schmidt: Genau deshalb kämpfe ich zum Beispiel für Anbauverbote für gentechnisch veränderte Pflanzen. Ich will den Bürgern sagen können: Was bei uns angebaut wird, ist gentechnikfrei.

Nun gibt es die europarechtliche Zulassung des Genmais 1507. Gibt es die Möglichkeit, dass Deutschland sagt: ohne uns?
Schmidt: Ja, genau das möchte ich. Meiner Auffassung nach sollen souveräne Regionen in der EU selbst über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen und dessen Einschränkungen entscheiden können. Ich erwarte, dass die nächste Abstimmung im Ministerrat ein klares Ergebnis für eine sogenannte Opt-Out-Regelung bringen wird. Diese wird es einzelnen EU-Ländern und Regionen erlauben, den Anbau in ihren Grenzen zu untersagen.

Und dann soll das Verbot bei uns generell gelten, oder könnten einzelne Bundesländer ausscheren?
Schmidt: Ich muss für Deutschland den Rechtsrahmen setzen. Wie die Länder dann von dem Gesetz Gebrauch machen, müssen wir zügig klären. Jedenfalls sollten für 2015 klare Spielregeln gelten.

In den Bundesländern gibt es viele unterschiedliche Vorschriften zu Abstandsgeboten von Flächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu anderen Nutzflächen. Muss das nicht bundesrechtlich vereinheitlicht werden?
Schmidt: Eine solche bundeseinheitliche Regelung gibt es bereits seit der Amtszeit von Horst Seehofer als meinem Vorgänger. Ich will aber betonen, dass diese Regelung keine Relevanz hat, da es momentan in ganz Deutschland keinen einzigen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen gibt. Und: Die Frage verliert ihre Bedeutung, wenn wir Anbauverbote festsetzen können, wozu uns Brüssel hoffentlich bald die Möglichkeit geben wird.

Es gibt viel Skepsis der Bürger gegen TTIP - das angestrebte Freihandelsabkommen der EU mit den USA. Garantieren Sie als Verbraucherminister, dass es durch TTIP keine Absenkung von Standards bei der Lebensmittelsicherheit und -hygiene geben wird?
Schmidt: Es ist die Grundlage der Verhandlungen, dass es in der EU keine Absenkung der Lebensmittelstandards geben wird, und sie wird es auch bleiben. Ich empfehle aber bei dem ganzen Thema ein gewisses Maß an Entspannung. Manch einer neigt da zu doch sehr übertriebenen Bedrohungsszenarien. Wir betreiben ja heute schon Handel mit den USA: Die Amerikaner wissen, woran sie sich bei uns halten müssen. Aber das gilt ja auch umgekehrt. Der US-Markt für Lebensmittel hat durchaus sehr hohe Lebensmittel-Standards. Da sollte mancher bei uns runter vom hohen Ross und nicht so überheblich auf die USA blicken. Grundsätzlich befürworte ich das Freihandelsabkommen. Im Übrigen ist die EU selbst doch auch eine große - erfolgreiche - Freihandelszone.

Nochmal: Sie garantieren, dass Chlorhähnchen und Klonfleisch nicht auf den deutschen Markt kommen?
Schmidt: Durch das Freihandelsabkommen wird es zu keiner Absenkung unserer Standards kommen, das gilt auch für die Chlorhähnchen und das Klonfleisch. Zumal dem Vertrieb von geklontem Fleisch nicht nur verbraucherrechtliche, sondern auch ethische Bedenken entgegenstehen.

Hätte man besser den Lebensmittelbereich ganz aus TTIP ausgeklammert?
Schmidt: Nein. Deutschland exportiert im Nahrungsmittelsektor Waren im Wert von 1,6 Milliarden Euro in die USA. Wir haben also auch ein großes Interesse daran, uns gut auf dem US-Markt zu platzieren. Wir verkaufen den Amerikanern eben nicht nur Autos, sondern auch Bier und Wein, Käse und Süßwaren.

Themawechsel: Landwirtschaftliche Betriebe müssen künftig 5 Prozent ihrer Ackerflächen als ökologische Vorrangflächen ausweisen. Es gibt den Streit darüber, ob auf diesen Flächen der Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln erlaubt wird oder nicht. Ihre Meinung?
Schmidt: Wir wollen diese 5-Prozent-Vorgabe nicht durch Flächen-Stilllegung umsetzen, sondern die Flächen möglichst in der Nutzung behalten - aber so, dass sich ein ökologischer Vorteil ergibt. Das geht aber nur, wenn es bei den Landwirten ein ökonomisches Interesse gibt, diese Flächen für die Produktion zu verwenden. Wäre kein Einsatz von Pflanzenschutz oder Düngung möglich, ginge das praktisch nicht. Allerdings sind durchaus Differenzierungen möglich. Über das Wie laufen nun die Verhandlungen im Bundestag und mit den Ländern. Wir brauchen ein Gesetz, das den Landwirten einen Anreiz lässt, die Flächen zu bewirtschaften statt sie stillzulegen.

Noch so ein Aufreger-Thema: Tierschutz. Sie haben gerade das Säugetier-Gutachten vorgelegt, das artgerechte Tierhaltung - auch in Zoos und privater Hand - gewährleisten soll. Aber es ist eben ein Gutachten und kein Gesetz. Also fehlt die Durchschlagskraft.
Schmidt: Ich halte nichts davon, immer gleich Gesetze zu machen. Ich bin sicher, dass das Gutachten in Zoos und anderswo eine sehr stilbildende Wirkung haben wird. Die vielen detailgenauen Anregungen könnte man gar nicht alle in ein Gesetz packen. Ein Gesetz wäre auch zu unflexibel, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu den vielen hundert Arten zeitnah zu berücksichtigen. Das Gutachten wird den Tierhaltern und den zuständigen Länderbehörden bei der Auslegung der allgemeinen Vorschriften des Tierschutzgesetzes helfen. Außerdem löst es eine gesellschaftliche Debatte aus, weil es ja Ansichten aus verschiedenen Blickwinkeln umfasst. Die ist nötig. Ende des Monats wird zum Beispiel ein runder Tisch zum Thema illegaler Welpenhandel tagen. Auch das wird das Bewusstsein weiter schärfen.

Die öffentlichen Debatten drehen sich immer um dieselben Punkte. Zum Beispiel die Kleingruppen-Käfige bei den Legehennen. Wie lange wird diese Form der Haltung zulässig bleiben?
Schmidt: Wir hatten dem Bundesrat einen Verordnungsvorschlag vorgelegt, den dieser aber abgelehnt hat. Inzwischen beobachten wir, dass die Kleingruppenhaltung immer mehr an Bedeutung verliert, insofern regelt der Markt das gerade selbst. Unmittelbaren Handlungsbedarf sehe ich daher im Augenblick nicht.

Die industrielle Fleischproduktion kommt durch bestimmte Praktiken in Verruf, die von der Ausnahme vielleicht mancherorts zur Regel geworden sind: etwa das Abschneiden der Schweineschwänze, das Kappen der Hühnerschnäbel, das Töten männlicher Küken.
Schmidt: Für mich gilt: Der Tierschutz ist der Maßstab. Das Töten von Küken am ersten Lebenstag, nur weil sie männlich sind und keine Eier legen werden, ist kein akzeptabler Umgang mit Geschöpfen. Darum müssen wir uns schleunigst kümmern. Beim Kürzen der Schnäbel will ich gemeinsam mit den Ländern schnell funktionierende Alternativen finden. Zudem treffe ich mich in Kürze mit meinen dänischen und niederländischen Amtskollegen. Da sitzen dann die drei führenden Länder in der Schweinehaltung zusammen. Wir müssen zusammen überlegen, wie wir unter Einschluss der Wissenschaft eine Lösung beim Thema Schwänze-Kupieren finden. Das ist nicht einfach: Wenn durch das dann mögliche Schwänze-Abbeißen im gleichen Stall der Antibiotika-Einsatz wieder steigt, haben wir nicht nur ein Tierschutzproblem. Ich möchte die Erzeuger aber nicht mit den Schwierigkeiten allein lassen. Bevor das Verbot des Schwänzekupierens in der Fläche durchgesetzt werden kann, brauchen wir praxistaugliche Alternativen.

Da sind wir aber noch weit weg von Verordnungen oder Gesetzen.
Schmidt: Erst muss das ökonomische Umfeld so gestaltet werden, dass die betroffenen Erzeuger den Weg auch mitgehen können. Ich will nicht, dass die Schweinehaltung in Deutschland ein aussterbender landwirtschaftlicher Zweig wird.

Der Tierschutzbund klagt bei der EU-Kommission gegen die Bundesregierung, weil Deutschland die Richtlinie zu Tierversuchen nicht angemessen umsetze. Bemängelt wird, dass es keine wirklich unabhängige Bewertung der Notwendigkeit von Tierversuchen für Forschungszwecke gebe.
Schmidt: Wir haben umgesetzt, was die Kommission von uns fordert. Der Grundsatz wird eingehalten: Es finden nur dann Tierversuche statt, wenn die Unerlässlichkeit nachgewiesen wird.

Sie leiten ein Ressort, dessen Hauptdienstsitz in Bonn ist. Soll es auf Dauer dabei bleiben?
Schmidt: Ja. Der Spagat zwischen Bonn und Berlin lässt sich in diesem Haus gut managen. Das Ministerium funktioniert, wie es ist. Ich habe 1991 bei der Bonn-Berlin-Entscheidung für Bonn votiert. Ich gebe zu, heute sehe ich, dass die Bundesregierung in Berlin ihren Platz gefunden hat. Aber die in der Föderalismuskommission und im Bonn-Berlin-Gesetz gefundenen Modelle sind tragfähig. Ich pendle wischen Berlin und Bonn. Und wenn ich nach Bonn komme, ist das für mich als langjähriger "Bonner" Abgeordneter immer noch wie ein Nach-Hause-Kommen.

Es gibt aktuelle Statistiken, wonach kein anderes Ressort so viele Beschäftigte nur mit Zeitverträgen ausstattet. Werden Sie das ändern?
Schmidt: Diese Statistiken beziehen sich auf das Ministerium einschließlich des Geschäftsbereichs, also der vielen Forschungsinstitute, die mit zum Ministerium gehören. In der Forschung aber sind Zeitverträge nichts Ungewöhnliches. Der Anteil der befristet Beschäftigten im Ministerium allein liegt aber bei unter drei Prozent. Und:Von den befristet Beschäftigten konnte in der Vergangenheit ein Großteil dauerhaft übernommen werden. Diese großzügige Übernahmepraxis will ich auch weiterhin fortführen.

Zur Person

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt wurde am 26. August 1957 im mittelfränkischen Obernzenn geboren. Schon als Jugendlicher trat er der CSU bei. Er studierte Jura in Erlangen und Lausanne. Christian Schmidt ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit 1990 sitzt er mit einem Direktmandat des Wahlkreises Fürth/Neustadt an der Aisch im Bundestag. Schmidt war lange Mitglied des Auswärtigen Ausschusses. Von 2005 bis 2013 war er Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium.

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