Freiherr mit Freispiel CSU will Guttenberg als Wahlkampfhelfer einsetzen

München/Berlin · Parteichef Horst Seehofer will den 2011 gestürzten Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg als Wahlkampfhelfer einsetzen – mit der Option auf mehr.

 Mit Bart und um einige Erfahrungen reicher: Der frühere Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg, hier 2015 auf Schloss Elmau, soll der CSU im aufziehenden Bundestagswahlkampf helfen.

Mit Bart und um einige Erfahrungen reicher: Der frühere Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg, hier 2015 auf Schloss Elmau, soll der CSU im aufziehenden Bundestagswahlkampf helfen.

Foto: picture alliance / Stephan Janse

Am Ende führt der Weg dann eben doch zurück in die Familie. Sie hat in diesem Fall drei Buchstaben: CSU. Nach New York, wo der potenzielle Heimkehrer 2013 die Investment- und Beratungsfirma Spitzberg Partners gegründet hat, ist es plötzlich wieder weit, obwohl dort noch Frau und Kinder leben. München ist gefühlt nah. Der Regierungsbezirk Oberfranken, Kulmbach und die Burg Guttenberg sind, naja, Heimat. Karl-Theodor zu Guttenberg, am 1. März 2011 als Folge einer in großen Teilen dreist abgekupferten, also plagiierten Doktorarbeit schwer von der großen politischen Bühne gestürzt, ist auf dem Weg zurück in die Politik.

Wie in jeder Familie mit straffer Führung geht nichts ohne das Wort des Clanchefs. Familienoberhaupt Horst Seehofer jedenfalls hat vor einiger Zeit beschlossen, ein „sehr nobles Angebot“ aus dem Kreise dieser Gemeinschaft anzunehmen. „KT“, wie Guttenbergs Vorname noch immer gerne markenähnlich abgekürzt wird, sei bereit: „Er will seiner Familie helfen, seiner CSU“, sagt der Vorsitzende mit einigem Pathos. Der so angepriesene Guttenberg, den Seehofer 2008 in der parteieigenen „Talentschmiede“ für den Posten des CSU-Generalsekretärs entdeckt hatte, versucht es mit demonstrativer Demut: „Wenn man einen bescheidenen Beitrag leisten kann für diese Familie, dann gerne.“

Der Weg zurück in die Politik, womöglich gar in ein Ministeramt im Bund oder im Land, muss wohlüberlegt, gut geplant und breit ausgetestet sein. Mögen ihn die Leute noch? Hat er Akzeptanz? Kann er ein Bierzelt unterhalten, was in Bayern, erst recht in einem Wahlkampf, von einiger Relevanz ist? Guttenberg hat viel nachdenken können in den vergangenen sechseinhalb Jahren, als er letztlich über Nacht nicht nur seinen Doktortitel, sondern vor allem seinen Posten als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt los war. Mit Guttenberg stolperte ein Aufsteiger über eigene Anmaßung und Trickserei, der ein besonderes Merkmal hatte: Als Spross eines oberfränkischen Adelsgeschlechtes kam er bereits von oben. Aber im Kabinett gelten andere Kriterien als beim Opernball.

Seehofer erbitterter Gegner von Söder

Karrieren in der Politik sind kaum planbar. Immer wieder funken die Wähler dazwischen oder in der Zeit des weltweiten Netzes allzu findige Plagiatsfahnder oder einfach nur die eigenen Parteifreunde. In diesem Fall aber könnte Guttenberg von einer ganz besonderen Fehde zweier sogenannter Parteifreunde profitieren. CSU-Chef Seehofer ist nicht nur ein früher Förderer des jungen Freiherrn zu Guttenberg, sondern auch erbitterter Gegner des bayerischen Finanzministers Markus Söder. Über den Franken Söder wird erzählt, dieser weise gerne listig darauf hin, dass er größer sei als der Ministerpräsident. Seehofer misst 1,93 Meter, Söder ist 1,94 Meter groß. Guttenberg ist kleiner als 1,90 Meter, aber in Seehofers Plan für ein Comeback Guttenbergs könnte eine große Rolle spielen, dass er den früheren Verteidigungsminister wieder aufbaut, um Söder als kommenden Ministerpräsidenten und CSU-Chef zu verhindern. Erst einmal entschied Seehofer, bei der Landtagswahl 2018 erneut als Ministerpräsident zu kandidieren und auch als CSU-Chef weiterzumachen. Aber irgendwann muss ein Nachfolger bestellt sein. Und der soll nach dem Willen von Seehofer einer nicht werden: Markus Söder.

Also wird erst einmal zu Guttenberg ins Feld geschickt. Früher gab er den Minister Kumpel, als er Mitreisenden nachts die Bierflasche mit einem Feuerzeug öffnete. Gelernt ist gelernt. Jetzt soll der gefallene Hoffnungsträger bei sieben Auftritten im aufziehenden Bundestagswahlkampf Stimmung für die CSU machen. Unter anderem ist er beim legendären Gillamoos-Jahrmarkt in Abensberg am 4. September als Hauptredner gesetzt. Bereits tags zuvor schickt die CSU zu Guttenberg nach dem Fernsehduell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Herausforderer Martin Schulz in die Debatte bei „Anne Will“ über die Deutung des TV-Duells. Das ist ein reichlich prominenter Platz für jemanden, der einfach nur seiner Familie helfen will.

Guttenberg übt sich jetzt in Bescheidenheit

Wie hatte Guttenberg gesagt, als Seehofer im März nach Gesprächen in Neufahrn über eine mögliche Rolle von „KT“ im Bundestagswahlkampf nachgedacht hatte: „Nase abwischen, aufstehen und von vorne beginnen.“ Vorbei die Zeit, als der Minister Guttenberg noch 2011 im indischen Bangalore ankündigte, er wolle demnächst mit dem Eurofighter fliegen. Doch dann kam der Absturz. Jetzt übt er sich in Bescheidenheit. Als er kürzlich in Berlin eine Karikaturenausstellung eröffnete, sagte Guttenberg selbstironisch, er habe vor sechs Jahren als „selbst gezeichnete Karikatur“ die deutsche Politik verlassen. „Ruhm“, so hatte er einmal in der verschneiten Winterlandschaft von Wildbad Kreuth philosophiert, „ist doch gar nichts wert. Er kann von einer Sekunde zur anderen weg sein.“

Heute, 45 Jahre alt, womöglich geläutert, misstrauischer, weniger Applaus heischend, könnte zu Guttenberg zurückkehren, wenn Seehofer mit dem Wahlkampfeinsatz seines einstigen Generalsekretärs nicht nur die nächste Seifenblase produziert. Der CSU-Chef ist ein Meister der volatilen Position: „Fahr' ich nur einmal um den Stachus rum, dreh' ich gleich zwei Mal meine Meinung um“, wurde Seehofer von einem Kabarettisten einmal angedichtet. Gegenspieler Söder wiederum ist ein Meister in der in Bayern sehr beliebten Figur des Haudraufs. „Aus meiner Sicht spielt er (Guttenberg) für die aktuelle Herausforderung ...“, stoppte Söder kürzlich gerade noch vor der Satzvollendung: “...keine Rolle.“ Und sagte dann: „Wenn jemand mithelfen will, uns zu stärken, mir soll's recht sein.“ Zu Guttenberg wiederum ist ein Meister darin, sein durchaus vorhandenes Ego in Bescheidenheit zu verkaufen. Der Bundesminister außer Diensten steht nun also vor seinem Probelauf: als Seehofers Edelhelfer mit der Option auf mehr.

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