Blamage im Plenum Bundestag nicht beschlussfähig

Berlin · Die erste Lesung des Gesetzentwurfes zum Betreuungsgeld fällt aus, weil zu wenige Abgeordnete im Saal sind. Mit 211 sind zu wenig Abgeordnete im Saal.

Ein Hammelsprung und plötzlich lange, ganz lange Gesichter in den Reihen der Koalition. Der Bundestag nicht beschlussfähig? Das kann doch nicht sein? Abgeordnete von CDU, CSU und FDP gucken sich ungläubig an. Gleich steht die erste Lesung des Gesetzentwurfs über das umstrittene Betreuungsgeld an. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hatte tags zuvor dafür noch bei den Unionsfrauen geworben, schließlich geht es auch darum, die in dieser Frage quengelige CSU-Schwester ruhig zu stellen.

Und jetzt stellt Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau beim "Hammelsprung" der Abgeordneten über einen Antrag von SPD und Grünen zum Wettbewerbsrecht fest: Der Bundestag ist mangels Masse gar nicht beschlussfähig. Mit 211 sind zu wenig Abgeordnete im Saal.

Das hat es seit 1990 nur ganze vier Mal gegeben. Beschlussfähig wäre das Hohe Haus, wenn mehr als die Hälfte (derzeit 311) der insgesamt 620 Bundestagsabgeordneten im Plenum wären. Doch offenbar "haben viele Abgeordnete der Koalition Berlin schon verlassen", wie Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck später ätzt.

Dabei ist es noch nicht einmal Mittag. Die Koalition regt sich maßlos darüber auf, Rot-Grün hätte mit ihren Abgeordneten doch diese Mehrheit des Bundestages gewährleisten können. Doch Beck wie auch SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann weisen das Ansinnen brüsk zurück: Es sei nicht Aufgabe der Opposition, die mangelnde Präsenz der Koalition auszugleichen.

Vielmehr sei es "Aufgabe der Mehrheit, diese Mehrheit auch darzustellen", belehrt Beck die verdatterten wie auch (über sich selbst) verärgerten schwarz-gelben Koalitionäre. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt spricht von einem "dreckigen Foulspiel" der Opposition, die mit diesem "Trick" das Betreuungsgeld der Koalition aber "nicht stoppen" werde. Und CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sekundiert, das Projekt werde weiter verfolgt und auf den Weg gebracht.

Nur wann? Klar ist, dass es nach dem gestrigen Eklat vor der Sommerpause nicht mehr zur zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfes kommen wird. Ursprünglich war geplant, das Votum in zwei Wochen, am Tag der geplanten Abstimmung über den Fiskalpakt, anzusetzen. Doch diese Planung ist jetzt nicht mehr zu halten.

Eine Sondersitzung des Bundestag in der kommenden Woche hätte den ursprünglichen Zeitplan noch retten können. Doch die Unionsfraktion verzichtete darauf, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Das Gesetz solle nun nach der Sommerpause im September verabschiedet werden, so ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion.

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